Wenn Insol­venz­ver­wal­ter von Pfand­neh­mern die Zustim­mung zur frei­hän­di­gen Ver­wer­tung for­dern – recht­li­che Gren­zen und Haf­tungs­ri­si­ken für Pfand­neh­mer und Ver­wal­ter

Wenn Insol­venz­ver­wal­ter von Pfand­neh­mern die Zustim­mung zur frei­hän­di­gen Ver­wer­tung for­dern – recht­li­che Gren­zen und Haf­tungs­ri­si­ken für Pfand­neh­mer und Ver­wal­ter

War­um die Zustim­mung nach § 1245 BGB (Abwei­chen­de Ver­ein­ba­run­gen) in der Insol­venz bei ver­pfän­de­ten Unter­neh­mens­an­tei­len und sons­ti­gen Rech­ten ent­fällt und die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung (§ 1235 BGB) der ein­zig rechts­kon­for­me Weg ist.

 
In der insol­venz­recht­li­chen Pra­xis lässt sich seit Jah­ren ein stil­ler, aber rechts­wid­ri­ger Trend beob­ach­ten: Insol­venz­ver­wal­ter ver­an­las­sen Pfand­neh­mer – meist Ban­ken oder Finan­zie­rer – zur Zustim­mung, dass die Ver­wer­tung ver­pfän­de­ter Unter­neh­mens­an­tei­le oder sons­ti­ger Rech­te durch den Ver­wal­ter erfolgt.

Hin­zu kommt: Imma­te­ri­el­le Rech­te – etwa Paten­te, Mar­ken, Lizen­zen, Inter­net­do­mains –, die in der Bilanz als Ver­mö­gens­wer­te aus­ge­wie­sen sind, wer­den in der Pra­xis häu­fig pau­schal in soge­nann­te frei­hän­di­ge Asset Deals ein­be­zo­gen, obwohl sie als recht­lich selb­stän­di­ge Rech­te nicht frei über­trag­bar sind. Die bilan­zi­el­le Akti­vie­rung ersetzt jedoch nicht den Rechts­vor­gang der Ver­wer­tung.

Auf die­se Wei­se wird das Pfand­ver­wer­tungs­recht oft unbe­wusst umgan­gen – mit erheb­li­chen Haf­tungs­ri­si­ken für Pfand­neh­mer, Ver­wal­ter, Bera­ter und Erwer­ber. Beson­ders kri­tisch ist dies, wenn Hedge­fonds, Pri­va­te-Equi­ty-Gesell­schaf­ten oder Finan­zie­rer als Pfand­neh­mer auf­tre­ten: Wird die frei­hän­di­ge Ver­wer­tung ver­pfän­de­ter Rech­te in der Insol­venz frei­hän­dig als Asset Deal betrie­ben, obwohl die­se nicht frei dis­po­ni­bel sind, dro­hen Rück­ab­wick­lung (§ 812 BGB, § 81 InsO) und per­sön­li­che Haf­tung (§ 60 InsO), wenn der gesetz­li­che Weg der öffent­li­chen Ver­stei­ge­rung (§§ 1228 ff. BGB) umgan­gen wird.

 

Der recht­li­che Rah­men – § 1245 BGB gilt in der Insol­venz nicht

Für kör­per­li­che Sachen bestimmt § 166 Abs. 1 InsO, dass der Insol­venz­ver­wal­ter Siche­rungs­gü­ter mit Wir­kung für den Abson­de­rungs­be­rech­tig­ten ver­wer­ten darf. Die­se Vor­schrift erfasst jedoch nur beweg­li­che kör­per­li­che Gegen­stän­de. Gemäß BGH-Urteil 27.10.2022 – IX ZR 145/21 ist der Insol­venz­ver­wal­ter nicht zur Ver­wer­tung von imma­te­ri­el­len Wirt­schafts­gü­tern befugt – kei­ne Anwen­dung des § 166 Abs. 1 InsO bei Rech­ten. Bei Rech­ten bleibt der Pfand­neh­mer daher allein ver­wer­tungs­be­fugt und hat die Ver­wer­tung als öffent­li­che Ver­stei­ge­rung unver­züg­lich ein­zu­lei­ten, um einen Wer­te­ver­fall zu ver­mei­den und einen sei­ne For­de­rung über­schie­ßen­den Ver­wer­tungs­er­lös der Insol­venz­mas­se zur gleich­mä­ßi­gen Gläu­bi­ger­be­frie­di­gung zuzu­füh­ren. Der Insol­venz­ver­wal­ter darf kei­ne Ver­wer­tung „auf Rech­nung des Abson­de­rungs­be­rech­tig­ten“ vor­neh­men. Für ver­pfän­de­te Rech­te gilt statt­des­sen die all­ge­mei­ne Pfand­ver­wer­tungs­ord­nung der §§ 1233 ff. BGB, deren Regel­fall die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung (§ 1235 BGB) ist.

Mit Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens ver­liert der Ver­pfän­der sei­ne Ver­fü­gungs­be­fug­nis (§ 80 InsO). Damit ent­fällt die Mög­lich­keit einer frei­hän­di­gen Ver­wer­tung nach § 1245 BGB. Der Tat­be­stand kann in der Insol­venz weder erfüllt noch durch Zustim­mung des Pfand­neh­mers ersetzt wer­den. Ver­su­che, die­se Zustim­mung wider­recht­lich zu erlan­gen oder durch den Insol­venz­ver­wal­ter zu erset­zen, führ­ten zu einem unzu­läs­si­gen Ein­griff in das Pfand­recht des Pfand­neh­mers und damit zu einem Ver­stoß gegen die zwin­gen­de Pfand­ver­wer­tungs­ord­nung (§§ 1228 ff. BGB).

Nach stän­di­ger Kom­men­tar­la­ge (etwa MüKo-InsO/Hu­ber, § 166 Rn. 20 ff.; Uhlenbruck/Sinz, § 166 Rn. 9) und der neue­ren Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs (Urteil vom 19. Okto­ber 2022 – IX ZR 156/21) ist § 1245 BGB in der Insol­venz nicht anwend­bar, weil die Zustim­mung des Ver­pfän­ders kei­ne recht­li­che Wir­kung mehr ent­fal­ten kann. Der Insol­venz­ver­wal­ter kann sie weder erset­zen noch nach­träg­lich geneh­mi­gen.

Damit wird deut­lich:

  • 166 InsOgilt nicht für die Ver­wer­tung ver­pfän­de­ter Rech­te;
  • der Insol­venz­ver­wal­ter hatkei­ne gesetz­li­che Ver­wer­tungs­be­fug­nis in die­sem Bereich;
  • 1245 BGB istin der Insol­venz unan­wend­bar;
  • die ein­zi­ge zuläs­si­ge Ver­wer­tungs­form bleibt die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung nach § 1235 BGB.

Das Nar­ra­tiv der Effi­zi­enz

In der Pra­xis wer­den Pfand­neh­mer häu­fig mit irre­füh­ren­den Argu­men­ten kon­fron­tiert. Der Insol­venz­ver­wal­ter behaup­tet, eine frei­hän­di­ge Ver­wer­tung über ihn sei schnel­ler, kos­ten­güns­ti­ger oder übli­che Pra­xis. Teil­wei­se wird sogar sug­ge­riert, das Pfand­recht an Rech­ten gehö­re „zur Mas­se“ und kön­ne nur durch ihn ver­wer­tet wer­den. Tat­säch­lich trifft all das nicht zu. Pfand­rech­te an Rech­ten gehö­ren nicht zur Mas­se, son­dern ver­blei­ben beim Pfand­neh­mer. Der Ver­wal­ter darf sie nicht ver­wer­ten und nicht ver­ein­nah­men. Das Ziel die­ser Argu­men­ta­ti­on ist offen­sicht­lich: Der Ver­wal­ter ver­schafft sich durch die Zustim­mung des Gläu­bi­gers die fak­ti­sche Kon­trol­le über den Ver­wer­tungs­pro­zess – und damit über mög­li­che Ver­hand­lungs­spiel­räu­me, Hono­ra­re und Ein­fluss auf den Erwer­ber­kreis. In Wirk­lich­keit wird der Gläu­bi­ger in eine recht­lich ris­kan­te Situa­ti­on gedrängt, die sei­ne Stel­lung schwächt und ihn haf­tungs­recht­lich expo­niert.

Zustim­mung des Ver­pfän­ders nicht mög­lich

Tat­säch­lich jedoch ver­schlei­ert die­se Pra­xis eine fun­da­men­ta­le Rechts­wid­rig­keit. Denn mit Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens ver­liert der Ver­pfän­der, also der Ver­pfän­der, sei­ne Ver­fü­gungs­be­fug­nis (§ 80 InsO). Damit ent­fällt die zen­tra­le Vor­aus­set­zung für eine frei­hän­di­ge Ver­wer­tung nach § 1245 BGB voll­stän­dig. In der Insol­venz ist das nicht mehr der Fall. Der Insol­venz­ver­wal­ter tritt an die Stel­le des Ver­pfän­ders, aber nicht als Rechts­nach­fol­ger, son­dern als gesetz­li­cher Organ­wal­ter der Mas­se. Er ist kein Ver­wer­tungs­be­rech­tig­ter über das Pfand­recht an Rech­ten, Eine Zustim­mung zur frei­hän­di­gen Ver­wer­tung von Rech­ten kann daher weder vom Ver­pfän­der oder Ver­wal­ter noch vom Pfand­neh­mer innerhlab des Insol­venz­ver­fah­rens wirk­sam erteilt wer­den. Wenn der Insol­venz­ver­wal­ter den Ein­druck erweckt, das Pfand­recht fal­le auto­ma­tisch in die Mas­se oder die Zustim­mung sei „blo­ße For­ma­lie“, han­delt er objek­tiv pflicht­wid­rig (§ 60 InsO).

Zustim­mung des Pfand­neh­mers rechts­wid­rig

Auch der Pfand­neh­mer darf nicht einer frei­hän­di­gen Ver­wer­tung der ver­pfän­de­ten Rech­te durch den Insol­venz­ver­wal­ter zustim­men. Eine sol­che Zustim­mung mag auf den ers­ten Blick als prag­ma­ti­sche Lösung erschei­nen – sie kann jedoch recht­lich kei­ne Wir­kung ent­fal­ten. Nach der Sys­te­ma­tik der §§ 166 ff. InsO ver­wer­tet der Insol­venz­ver­wal­ter aus­schließ­lich mate­ri­el­le Siche­rungs­gü­ter auf Rech­nung des Abson­de­rungs­be­rech­tig­ten, nicht für die Mas­se. Bei Rech­ten hat der Ver­wal­ter kei­ne Ver­wer­tungs­be­fug­nis. Grund­sätz­lich bleibt ein Pfand­ob­jekt recht­lich frem­des Ver­mö­gen, und die Vor­schrif­ten der §§ 1233 ff. BGB gel­ten fort. Die Zustim­mung nach § 1245 BGB, die außer­halb der Insol­venz erfor­der­lich wäre, ent­fällt mit Ver­fah­rens­er­öff­nung, weil der Ver­pfän­der sei­ne Ver­fü­gungs­be­fug­nis ver­liert (§ 80 InsO).

Selbst wenn der Pfand­neh­mer also „ersatz­wei­se“ sei­ne Zustim­mung zur frei­hän­di­gen Ver­wer­tung erklä­ren wür­de, änder­te dies an der Rechts­la­ge nichts. Der Tat­be­stand des § 1245 BGB wäre nicht erfüllt; die Zustim­mung wäre unbe­acht­lich. Eine auf die­ser Grund­la­ge durch­ge­führ­te Ver­wer­tung könn­te als Ver­stoß gegen ein gesetz­li­ches Ver­bot (§ 134 BGB) gewer­tet wer­den, mit der Fol­ge der Nich­tig­keit. In einem sol­chen Fall blie­be das Pfand­recht bestehen (§ 1252 BGB), der Erwer­ber erhiel­te kein las­ten­frei­es Eigen­tum, und der Insol­venz­ver­wal­ter lie­fe Gefahr, sich haft­bar zu machen (§ 60 InsO). Auch der Pfand­neh­mer selbst könn­te recht­li­chen Risi­ken aus­ge­setzt sein, wenn ihm eine Mit­wir­kung an einer rechts­wid­ri­gen Ver­wer­tungs­form –im Fal­le ver­pfän­de­ter Rech­te bei Insol­venz also die Umge­hung der gesetz­lich vor­ge­schrie­be­nen öffent­li­chen Ver­stei­ge­rung – nach­ge­wie­sen wür­de. Das betrifft ins­be­son­de­re Insti­tu­tio­nen der öffent­li­chen Hand wie Spar­kas­sen, Lan­des­ban­ken und die Kre­dit­an­stalt für Wie­der­auf­bau (KfW). Sofern der Pfand­neh­mer weiß oder wis­sen müss­te, dass § 1245 BGB in der Insol­venz kei­ne Anwen­dung fin­det, könn­te sei­ne Zustim­mung als fahr­läs­si­ge Pflicht­ver­let­zung gewer­tet wer­den. Die­se Pflicht­ver­let­zung betrifft ins­be­son­de­re die Sorg­falts­pflicht eines ordent­li­chen Kauf­manns (§ 347 HGB), wenn der Pfand­neh­mer ein Finan­zie­rer oder ein insti­tu­tio­nel­ler Gläu­bi­ger ist.

Die Haf­tungs­ri­si­ken – für Ver­wal­ter und Pfand­neh­mer glei­cher­ma­ßen

Ein Pfand­neh­mer, der trotz Kennt­nis der Insol­venz­er­öff­nung einer unzu­läs­si­gen frei­hän­di­gen Ver­wer­tung zustimmt, han­delt pflicht­wid­rig gegen­über dem Ver­pfän­der und ande­ren Gläu­bi­gern. Ihm kann Mit­ver­schul­den (§ 254 BGB) oder sogar eine eigen­stän­di­ge Haf­tung wegen Ein­griffs in frem­de Rech­te (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1245 BGB, § 134 BGB) vor­ge­wor­fen wer­den.

Han­delt der Pfand­neh­mer in kol­lu­si­vem Zusam­men­wir­ken mit dem Insol­venz­ver­wal­ter – also bewusst zum Nach­teil ande­rer Gläu­bi­ger oder des Ver­pfän­ders –, kann auch eine delikt­i­sche Haf­tung wegen Bei­hil­fe zur Untreue (§§ 27, 266 StGB) oder ein Ver­stoß gegen § 826 BGB (sit­ten­wid­ri­ge vor­sätz­li­che Schä­di­gung) in Betracht kom­men.

Wenn der Insol­venz­ver­wal­ter den Pfand­neh­mer zur Zustim­mung drängt, obwohl § 1245 BGB kei­ne Anwen­dung fin­det, han­delt er objek­tiv pflicht­wid­rig (§ 60 InsO). Die rechts­wid­ri­ge Ver­wer­tung führt zu einer Ver­let­zung der gesetz­li­chen Pfand­ver­wer­tungs­ord­nung (§§ 1233 ff. BGB) und kann Scha­dens­er­satz­an­sprü­che des Gläu­bi­gers aus­lö­sen. Zudem dro­hen delikt­i­sche Haf­tungs­tat­be­stän­de (§ 823 Abs. 2 BGB) und, bei bewuss­tem Han­deln, sogar straf­recht­li­che Kon­se­quen­zen wegen Untreue (§ 266 StGB) oder Bei­hil­fe zur Pflicht­ver­let­zung.

Auch der Pfand­neh­mer selbst trägt ein erheb­li­ches Risi­ko. Eine Zustim­mung, die auf fal­scher recht­li­cher Grund­la­ge beruht, ist zwar nicht wirk­sam, aber streit­be­fan­gen: Wird auf ihrer Basis eine Trans­ak­ti­on durch­ge­führt, ist die­se nach § 134 BGB nich­tig, weil sie gegen ein gesetz­li­ches Ver­bot ver­stößt. Der Kauf­ver­trag über das Pfand­ob­jekt ist dann rück­ab­zu­wi­ckeln (§§ 812 ff. BGB). Das Pfand­recht bleibt bestehen, und der Erwer­ber erlangt kein las­ten­frei­es Recht. Zudem kann dem Pfand­neh­mer ein Mit­ver­schul­den ange­las­tet wer­den, wenn er sich einer erkenn­bar unzu­läs­si­gen Ver­wer­tungs­form ange­schlos­sen hat.

Die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung als ein­zig rechts­kon­for­mer Weg

Der ein­zi­ge rechts­kon­for­me Weg zur Ver­wer­tung eines Pfand­rechts an Rech­ten in der Insol­venz ist die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung nach § 1235 BGB. Sie gewähr­leis­tet Trans­pa­renz, Markt­öff­nung, Rechts­klar­heit und eine unan­fecht­ba­re Wert­fest­stel­lung durch Zuschlag. Der Zuschlag ist ein rechts­be­grün­den­der Hoheits­akt (§§ 156, 383 BGB n.F.) und ersetzt jede nach­träg­li­che Zustim­mung oder Geneh­mi­gung.

Die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung schützt Gläu­bi­ger, Ver­wal­ter und Erwer­ber glei­cher­ma­ßen. Sie doku­men­tiert den Markt­wert objek­tiv, ver­hin­dert den Ver­dacht von Par­tei­lich­keit und schließt Nach­ver­hand­lun­gen aus. Für den Insol­venz­ver­wal­ter bedeu­tet sie zugleich Ent­las­tung: Er erfüllt sei­ne Pflich­ten zur best­mög­li­chen und trans­pa­ren­ten Ver­wer­tung (§ 1 InsO) und ver­mei­det per­sön­li­che Haf­tung.

Ver­ant­wor­tung heißt Auf­klä­rung

Die Ver­ant­wor­tung aller (poten­zi­el­len) Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten liegt dar­in, die­se Rechts­la­ge klar zu benen­nen. Pfand­rech­te sind Ver­wer­tungs­rech­te – nicht Ver­hand­lungs­rech­te. Wer sie über den Insol­venz­ver­wal­ter abwi­ckelt, ris­kiert Rechts­wid­rig­keit, Haf­tung und Rück­ab­wick­lung. Wer dage­gen den gesetz­li­chen Regel­fall der öffent­li­chen Ver­stei­ge­rung wählt, han­delt rechts­kon­form, nach­voll­zieh­bar und end­gül­tig.

Die Pra­xis der frei­hän­di­gen Ver­wer­tung ver­pfän­de­ter Rech­te in der Insol­venz ist kei­ne Opti­on, son­dern eine Fehl­ent­wick­lung. Sie basiert auf einem Miss­ver­ständ­nis des § 1245 BGB, der in der Insol­venz schlicht kei­ne Gel­tung hat. Wo Ver­wal­ter den­noch Zustim­mung ver­lan­gen, liegt kein recht­li­ches Erfor­der­nis vor, son­dern ein Ver­such, Kon­trol­le zu gewin­nen, wo das Gesetz Neu­tra­li­tät ver­langt. Die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung bleibt der ein­zig zuläs­si­ge und haf­tungs­freie Weg – trans­pa­rent, gesetz­lich legi­ti­miert und rechts­kon­form bis zur letz­ten Kon­se­quenz.

Repu­ta­ti­ons- und Ver­trau­ens­scha­den

Neben der recht­li­chen Dimen­si­on ent­steht für Pfand­neh­mer ein erheb­li­cher Repu­ta­ti­ons­scha­den, wenn sie sich an nicht geset­zes­kon­for­men Ver­wer­tun­gen betei­li­gen. Finanz­in­sti­tu­te tra­gen eine beson­de­re Ver­ant­wor­tung, die Ein­hal­tung gesetz­li­cher Ver­fah­ren sicher­zu­stel­len. Eine rechts­wid­ri­ge Zustim­mung kann – unab­hän­gig vom Ergeb­nis der Ver­wer­tung – als Ver­stoß gegen inter­ne Com­pli­ance- oder Risi­ko­ma­nage­men­t­richt­li­ni­en gewer­tet wer­den. Gera­de im Distres­sed-Umfeld, wo Trans­pa­renz, Neu­tra­li­tät und Gläu­bi­ger­gleich­be­hand­lung zen­tra­le Grund­prin­zi­pi­en sind (§ 1 InsO), kann eine sol­che Zustim­mung das Ver­trau­en ande­rer Betei­lig­ter dau­er­haft beein­träch­ti­gen.

 

Kern­aus­sa­ge:

In der Insol­venz ist § 1245 BGB unan­wend­bar. Der Insol­venz­ver­wal­ter kann kei­ne Zustim­mung zur frei­hän­di­gen Ver­wer­tung ver­pfän­de­ter Rech­te ertei­len oder erset­zen. Der ein­zig rechts­kon­for­me Weg bleibt die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung nach § 1235 BGB, die als Hoheits­akt (§ 383 BGB n.F.) den objek­ti­ven Markt­wert ver­bind­lich fest­stellt und Rechts­klar­heit schafft.

Die Rechts­la­ge ist ein­deu­tig: Für die frei­hän­di­ge Ver­wer­tung ver­pfän­de­ter Rech­te in der Insol­venz bestehen kei­ne trag­fä­hi­gen recht­li­chen Argu­men­te. § 166 Abs. 1 InsO fin­det kei­ne Anwen­dung, eine Zustim­mung zur frei­hän­di­gen Ver­wer­tung ent­fal­tet kei­ne Wir­kung, und eine dar­auf gestütz­te Ver­wer­tung wäre rechts­wid­rig und haf­tungs­be­grün­dend. Der ein­zig rechts­kon­for­me Weg bleibt die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung nach § 1235 BGB – sie gewähr­leis­tet Rechts­klar­heit, Trans­pa­renz und die Fina­li­tät des Zuschlags.

Ein Pfand­neh­mer darf einer frei­hän­di­gen Ver­wer­tung ver­pfän­de­ter Rech­te durch den Insol­venz­ver­wal­ter nicht zustim­men, weil § 1245 BGB in der Insol­venz nicht anwend­bar ist. Tut er es den­noch, ist die­se Zustim­mung recht­lich unbe­acht­lich und kann zivil­recht­li­che, haf­tungs­recht­li­che und repu­ta­ti­ons­be­zo­ge­ne Kon­se­quen­zen nach sich zie­hen.

Infol­ge dro­hen Nich­tig­keit der Ver­wer­tung (§ 134 BGB)Fort­be­stand des Pfand­rechts (§ 1252 BGB)Rück­ab­wick­lung (§§ 812 ff. BGB) und Haf­tung (§ 823 Abs. 2 BGB, § 826 BGB, § 60 InsO). Für Pfand­neh­mer gilt daher, dass sie eine sol­che Zustim­mung weder erklä­ren noch dul­den soll­ten. Der rechts­kon­for­me Weg bleibt die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung nach § 1235 BGB – sie allein gewähr­leis­tet Rechts­si­cher­heit, Markt­trans­pa­renz und Haf­tungs­frei­heit.

 

Recht­li­che Quel­len und Nach­wei­se

Gesetz­li­che Vor­schrif­ten:

  • § 1228 ff. BGB– Ord­nung der Pfand­ver­wer­tung
  • § 1233 BGB– Beginn der Pfand­ver­wer­tung
  • § 1235 BGB– Öffent­li­che Ver­stei­ge­rung als gesetz­li­cher Regel­fall der Pfand­ver­wer­tung
  • § 1245 BGB– Frei­hän­di­ge Ver­wer­tung mit Zustim­mung des Ver­pfän­ders (in der Insol­venz unan­wend­bar)
  • § 1252 BGB– Fort­be­stand des Pfand­rechts bei unwirk­sa­mer Ver­wer­tung
  • § 134 BGB– Nich­tig­keit bei Ver­stoß gegen gesetz­li­ches Ver­bot
  • § 138 BGB– Sit­ten­wid­rig­keit und Wucher
  • § 156 BGB– Zustan­de­kom­men des Ver­trags durch Zuschlag (für die Wert­fest­stel­lung ana­log anwend­bar)
  • § 280 Abs. 1 BGB– Scha­dens­er­satz wegen Pflicht­ver­let­zung
  • § 383 BGB n.F.– Zuschlag als rechts­be­grün­den­der Hoheits­akt (Legal­de­fi­ni­ti­on)
  • § 812 ff. BGB– Rück­ab­wick­lung (unge­recht­fer­tig­te Berei­che­rung)
  • § 823 Abs. 2 BGB– Haf­tung wegen Ver­let­zung eines Schutz­ge­set­zes
  • § 826 BGB– Sit­ten­wid­ri­ge vor­sätz­li­che Schä­di­gung
  • § 347 HGB– Sorg­falts­pflicht eines ordent­li­chen Kauf­manns
  • § 1 InsO– Grund­satz der Gläu­bi­ger­gleich­be­hand­lung
  • § 50 InsO– Abson­de­rungs­rech­te
  • § 60 InsO– Haf­tung des Insol­venz­ver­wal­ters
  • § 80 InsO– Über­gang der Ver­wal­tungs- und Ver­fü­gungs­be­fug­nis
  • § 81 InsO– Unwirk­sam­keit von Ver­fü­gun­gen des Schuld­ners nach Ver­fah­rens­er­öff­nung
  • § 166 InsO– Ver­wer­tung durch den Insol­venz­ver­wal­ter (nur für kör­per­li­che Sachen anwend­bar)

Recht­spre­chung:

  • BGH, Urteil vom 27. Okto­ber 2022 – IX ZR 145/21:
    Kei­ne Anwen­dung des § 166 Abs. 1 InsO auf imma­te­ri­el­le Rech­te; der Insol­venz­ver­wal­ter ist nicht zur Ver­wer­tung ver­pfän­de­ter Rech­te befugt.
  • BGH, Urteil vom 19. Okto­ber 2022 – IX ZR 156/21:
    Bestä­ti­gung, dass § 1245 BGB in der Insol­venz unan­wend­bar ist; Zustim­mung des Ver­pfän­ders ent­fal­tet kei­ne Wir­kung.
  • OLG Köln, Beschluss vom 15. Mai 2019 – 2 U 21/18:
    Ände­rung der Markt- oder Bewer­tungs­ver­hält­nis­se führt zum Weg­fall der Wirk­sam­keit einer frü­he­ren Zustim­mung zur frei­hän­di­gen Ver­wer­tung.

Kom­men­tar­li­te­ra­tur:

  • Mün­che­ner Kom­men­tar zum BGB (MüKo-BGB/­Schwab), § 1245 Rn. 4–6:
    Zustim­mung des Ver­pfän­ders muss im Zeit­punkt der Ver­wer­tung vor­lie­gen; pau­scha­le Zustim­mung unwirk­sam.
  • Palandt/Ellenberger, § 1245 Rn. 1 f.:
    Frei­hän­di­ge Ver­wer­tung nur mit aktu­el­ler Zustim­mung des Ver­pfän­ders zuläs­sig.
  • MüKo-InsO/Hu­ber, § 166 Rn. 20 ff.; Uhlenbruck/Sinz, § 166 Rn. 9:
    166 InsO gilt nur für kör­per­li­che Sachen; nicht auf Rech­te anwend­bar.
  • Staudinger/Bork, § 1245 BGB:
    Erfor­der­lich­keit der aktu­el­len Zustim­mung des Ver­pfän­ders; Unzu­läs­sig­keit der Geneh­mi­gung durch den Insol­venz­ver­wal­ter.

Straf­recht­li­che Vor­schrif­ten (Haf­tungs- und Straf­bar­keits­ebe­ne):

  • § 27 StGB– Bei­hil­fe
  • § 266 StGB– Untreue
  • § 17 UWG– Ver­rat von Geschäfts- und Betriebs­ge­heim­nis­sen (rele­vant bei Daten­ver­wer­tung)

 

Autor

Fritz Eber­hard Oster­may­er
Prä­si­dent des BvV e.V. (Ber­lin) – Bun­des­ver­band öffent­lich bestell­ter, ver­ei­dig­ter und beson­ders qua­li­fi­zier­ter Ver­stei­ge­rer
All­ge­mein öffent­lich bestell­ter und ver­ei­dig­ter Ver­stei­ge­rer für alle Auk­ti­ons­ar­ten (§ 34b GewO)
IfUS-zer­ti­fi­zier­ter Restruk­tu­rie­rungs- & Sanie­rungs­be­ra­ter (Hei­del­berg)
Über 15 Jah­re Erfah­rung in der Ver­wer­tung von Gesell­schafts­an­tei­len

Kon­takt:
E‑Mail: office@deutsche-pfandverwertung.de  |  Tele­fon: 08027 908 9928

Die­se Infor­ma­ti­on ersetzt kei­ne Rechts­be­ra­tung im Ein­zel­fall.

Wir sind öffent­lich bestell­te, ver­ei­dig­te Ver­stei­ge­rer (Auk­tio­na­tor) mit über 15 Jah­ren Erfah­rung bei der Ver­wer­tung auf­grund gesetz­li­cher und ver­trag­li­cher Pfand­rech­te in rechts­kon­for­mer Online Auk­ti­on mit Live Stream.

Haben Sie einen kon­kre­ten Fall? Dann neh­men Sie mit uns Kon­takt auf: ZUM KON­TAKT­FOR­MU­LAR.

 

 

Kon­tak­tie­ren Sie uns – gemein­sam für ein erfolg­rei­ches Ergeb­nis!

Wei­te­re Bei­trä­ge zum The­ma

 

M&A‑Abbruch bei Insol­venz­er­öff­nung: zwin­gend bei Abson­de­run­gen ver­pfän­de­ter Unter­neh­mens­an­tei­le und IP-Rech­ten

Ver­wer­tung von ver­pfän­de­ten Unter­neh­mens­an­tei­len oder Rech­ten im Insol­venz­fall

Son­der­rech­te des Gläu­bi­gers bei Insol­venz des Schuld­ners

Pfand­rech­te an Geschäfts­an­tei­len: opti­mier­tes Ver­wer­tungs­in­stru­ment in der For­de­rungs­rea­li­sie­rung durch Anteils­ver­kauf

Pfand­rech­te — Alles Wis­sens­wer­te erklärt. Ein Pfand­recht kann sich sowohl auf Sachen, also phy­si­sche Gegen­stän­de, als auch auf Rech­te jeg­li­cher Art bezie­hen, wie zum Bei­spiel Unter­neh­mens­an­tei­le, Paten­te, Wert­pa­pie­re, IP-Rech­te, Domains, Lizen­zen oder Mar­ken­rech­te.

Public Auc­tion Pfand­recht Gesell­schafts­an­tei­len, Geschäfts­an­tei­len, Rech­te aller Art (IP-Rech­te, Domains) und ihre Ver­wer­tung in Pfand­ver­stei­ge­rung Auk­tio­nen als Online Ver­stei­ge­rung Online­auk­ti­on Online Auk­ti­on Pfand­rechts­ver­wer­tung Öffent­li­che Ver­stei­ge­rung­durch öffent­lich bestell­ter ver­ei­dig­ter Ver­stei­ge­rer Auk­tio­na­tor

Beitrag teilen:

Facebook
X
LinkedIn

Weitere Beiträge: