Haf­tungs­ri­si­ken für M&A‑Berater und Insol­venz­ver­wal­ter bei Ver­stoß gegen § 1235 BGB

War­um die Miss­ach­tung der gesetz­li­chen Pfand­ver­wer­tungs­ord­nung im Distres­sed Case per­sön­li­che Haf­tung aus­lö­sen kann.

In der Distres­sed-Pra­xis haben sich über Jah­re ein­ge­schlif­fe­ne Markt­ge­wohn­hei­ten eta­bliert, die viel­fach im Wider­spruch zu den gesetz­li­chen Vor­ga­ben und der BGH-Rechts­spre­chung ste­hen. Der Bei­trag zeigt, dass die fort­ge­setz­te Igno­rie­rung  der zwin­gen­den Vor­ga­ben kein Rand­phä­no­men, son­dern ein struk­tu­rel­les Risi­ko der Distres­sed-Trans­ak­ti­ons­pra­xis ist – ein Risi­ko, das sowohl M&A‑Berater als auch Insol­venz­ver­wal­ter unmit­tel­bar betrifft.

 

In der deut­schen M&A‑Praxis – ins­be­son­de­re bei Trans­ak­tio­nen im Kri­sen- oder Insol­venz­um­feld – hat sich eine Vor­ge­hens­wei­se eta­bliert, die öko­no­misch zweck­mä­ßig erschei­nen mag, die recht­lich jedoch einen Ver­stoß gegen die gesetz­li­che Ver­wer­tungs­ord­nung (§§ 1228 ff. BGB) dar­stellt und damit haf­tungs­be­grün­dend wirkt.

Unter der Bezeich­nung „Distres­sed M&A“ wer­den regel­mä­ßig Pfand­rech­te an Rech­ten ohne gesetz­lich vor­ge­se­he­ne aktu­el­le und infor­mier­te Zustim­mung des Ver­pfän­ders (§ 1245 BGB) ver­wer­tet. In der Pra­xis von Distres­sed-Trans­ak­tio­nen und Pfand­ver­wer­tun­gen wird oft über­se­hen, dass die vor­ab pau­schal abge­ge­be­ne Zustim­mung des Ver­pfän­ders zur frei­hän­di­gen Ver­wer­tung (§ 1245 BGB) kein Blan­ko­scheck ist. Sie muss immer aktu­ell, infor­miert und auf den kon­kre­ten Ver­wer­tungs­fall bezo­gen sein – ins­be­son­de­re bei Unter­neh­mens­an­tei­len oder IP-Rech­ten, wo Wer­te schwan­ken und Rechts­la­gen sich schnell ändern. Gera­de in Kri­sen­si­tua­tio­nen ändern sich die­se Rah­men­be­din­gun­gen fast immer: Markt­wert, Betei­li­gungs­ver­hält­nis­se, Insol­venz­ri­si­ko, Gläu­bi­ger­in­ter­es­sen. Trotz­dem wird in der M&A‑Praxis häu­fig mit pau­scha­len Zustim­mungs­klau­seln gear­bei­tet, die kei­ne recht­li­che Trag­fä­hig­keit mehr haben. Das Ergeb­nis: Vie­le soge­nann­te „Pri­va­te Sales“ oder „Struc­tu­red Deals“ sind nicht rechts­kon­form. Eine ein­mal erteil­te Zustim­mung ver­liert ihre Wir­kung, sobald sich wirt­schaft­li­che oder recht­li­che Umstän­de wesent­lich ändern.

Mit Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens ändert sich die Rechts­la­ge grund­le­gend: 

Die Zustim­mung des Ver­pfän­ders erlischt – eine „Alt­zu­stim­mung“ lebt nicht fort. Der Insol­venz­ver­wal­ter kann die Ver­wer­tung von Rech­ten oder Unter­neh­mens­an­tei­len nicht geneh­mi­gen, da § 166 Abs. 1 InsO nicht anwend­bar ist (BGH-Urteil 27.10.2022 – IX ZR 145/21). Das Ver­wer­tungs­recht fällt an den Pfand­gäu­bi­ger, der ver­pfän­de­te Rech­te nur in einer öffent­li­chen Ver­stei­ge­rung gemäß Para­graf 1235 BGB unver­züg­lich ver­wer­ten las­sen muss.

Imma­te­ri­el­le Rech­te – Paten­te, Mar­ken, Lizen­zen, Inter­net­do­mains –, die in der Bilanz als Ver­mö­gens­wer­te aus­ge­wie­sen sind, wer­den im Insol­venz­kon­text pau­schal in Asset-Deals inte­griert, obwohl sie recht­lich eigen­stän­di­ge Rech­te sind und teils ver­pfän­det oder nicht frei über­trag­bar. Bilan­zi­el­le Akti­vie­rung ersetzt nicht den Rechts­vor­gang der Ver­wer­tung oder Über­tra­gung. So wird das Pfand­ver­wer­tungs­recht umgan­gen – mit Haf­tungs­ri­si­ken für Pfand­gläu­bi­ger, Ver­wal­ter, Bera­ter und Erwer­ber. Die gesetz­li­che Pfand­ver­wer­tungs­ord­nung der §§ 1228 ff. BGB fin­det in die­sen Pro­zes­sen oft­mals kei­ne Beach­tung.

Zahl­rei­che Trans­ak­tio­nen wer­den somit als „Asset Deals“ struk­tu­riert, obwohl Tei­le des über­tra­ge­nen imma­te­ri­el­len Ver­mö­gens ent­hal­ten sind. In der Pra­xis führt das zu fak­ti­schen rechts­wid­ri­gen Umge­hun­gen des § 1235 BGB, der die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung als Regel­fall der Pfand­ver­wer­tung von Rech­ten vor­schreibt. In der wirt­schafts­na­hen M&A‑Literatur wird das Pro­blem kaum the­ma­ti­siert – so auch in Arnd Aller­ts Stan­dard­werk „Distres­sed M&A“ (2022), das das The­ma Abson­de­rung von Rech­ten bzw. Pfand­ver­wer­tung von Rech­ten gänz­lich aus­blen­det.

Damit ent­steht in der Pra­xis ein struk­tu­rel­les Span­nungs­feld zwi­schen Markt­rou­ti­ne und Geset­zes­bin­dung: Was öko­no­misch prag­ma­tisch wirkt, ist recht­lich unzu­läs­sig – mit erheb­li­chen Haf­tungs­ri­si­ken für alle Betei­lig­ten.

Die Pra­xis der Umge­hung – „Distres­sed Asset Packa­ges“ als recht­li­ches Risi­ko

In der Distressed‑M&A‑Praxis wer­den Unter­neh­men häu­fig in ver­meint­lich über­trag­ba­re „Asset Packa­ges“ zer­legt. Die­se ent­hal­ten regel­mä­ßig auch imma­te­ri­el­le Wer­te – etwa Lizen­zen, Mar­ken­rech­te, Paten­te oder Inter­net­do­mains –, die ent­we­der nicht rechts­wirk­sam über­trag­bar (§§ 398, 413 BGB; § 30 UrhG; § 69b UrhG) oder auf­grund Ver­pfän­dung im Wege der öffent­li­che Ver­stei­ge­rung (§ 1235 BGB) zu ver­wer­ten sind.

Trotz­dem wer­den sie bilan­zi­ell erfasst, bewer­tet und in Kauf­ver­trä­gen auf­ge­führt. Das dient häu­fig dem Zweck, den Anschein eines hohen Trans­ak­ti­ons­vo­lu­mens zu erzeu­gen oder ver­trag­li­che Pfand­rech­te fak­tisch zu ent­wer­ten.

Sol­che Kon­stel­la­tio­nen stel­len eine Umge­hung der §§ 1228 ff. BGB dar und kön­nen sowohl zivil­recht­li­che Nich­tig­keit (§ 134 BGB) als auch straf­recht­li­che Rele­vanz begrün­den – ins­be­son­de­re, wenn dadurch Gläu­bi­ger oder Erwer­ber über den recht­li­chen Bestand der über­tra­ge­nen Wer­te getäuscht wer­den (§ 263 StGB, § 266 StGB).

Rechts­ri­si­ko: Miss­ach­tung abson­de­rungs­be­rech­tig­ter Pfand­gläu­bi­ger bei ver­pfän­de­ten Rech­ten

Besteht ein ver­trag­li­ches Pfand­recht an Unter­neh­mens­an­tei­len, so ist eben­falls die Ver­wer­tung über die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung zwin­gend gesetz­lich vor­ge­schrie­ben (kei­ne Anwen­dung § 166 Abs 1 InsO). Ein Pfand­neh­mer kann einer frei­hän­di­gen Ver­wer­tung im Insol­venz­fall nicht zustim­men.

Das ist der ent­schei­den­de Punkt: Im eröff­ne­ten Insol­venz­ver­fah­ren darf weder der Inoslvenz­ver­wal­ter, der Pfand­neh­mer noch der Ver­pfän­der selbst eine Zustim­mung zur frei­hän­di­gen Ver­wer­tung (§ 1245 BGB) von ver­pfän­de­ten Unter­neh­mens­an­tei­len oder sons­ti­gen Rech­ten ertei­len – weder aus­drück­lich noch kon­klu­dent. Denn mit der Ver­fah­rens­er­öff­nung ver­liert der Ver­pfän­der die Ver­fü­gungs- und Ver­wal­tungs­be­fug­nis über das Ver­mö­gen (§ 80 Abs. 1 InsO), und sei­ne Zustim­mung wäre daher recht­lich unbe­acht­lich. Eine Zustim­mung zur frei­hän­di­gen Ver­wer­tung (§ 1245 BGB) wäre eine Ver­fü­gung über die Art der Pfand­ver­wer­tung – und damit ver­fü­gungs­ähn­lich, also nich­tig (§ 134 BGB i.V.m. § 80 InsO).

Zusam­men­ge­fasst:

  • Der Insol­venz­ver­wal­ter darf Rech­te nicht selbst ver­wer­ten (kei­ne Anwen­dung des § 166 Abs. 1 InsO; BGH-Urteil 27.10.2022 – IX ZR 145/21),
  • der Ver­pfän­der darf kei­ne Zustim­mung zur frei­hän­di­gen Ver­wer­tung ertei­len,
  • - und der Pfand­gläu­bi­ger muss die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung (§ 1235 BGB) unver­züg­lich durch­füh­ren las­sen.

 

Per­sön­li­che Haf­tung der M&A‑Berater

Auch im Rah­men einer Eigen­ver­wal­tung (§§ 270 ff. InsO) oder eines Restruk­tu­rie­rungs­ver­fah­rens nach dem Sta­RUG besteht für M&A‑Berater ein erheb­li­ches straf- und zivil­recht­li­ches Risi­ko, wenn sie an einer rechts­wid­ri­gen oder pflicht­wid­ri­gen Ver­wer­tung von Rech­ten mit Pfand- oder Abson­de­rungs­rech­ten mit­wir­ken.

Die Eigen­ver­wal­tung ist kein rechts­frei­er Raum. Auch wenn der Schuld­ner nach § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO die Ver­wal­tungs- und Ver­fü­gungs­be­fug­nis behält, unter­liegt er den glei­chen insol­venz­recht­li­chen Beschrän­kun­gen und Pflich­ten wie ein Insol­venz­ver­wal­ter (§ 270 Abs. 2 Satz 1 InsO). Auch in der Eigen­ver­wal­tung (§§ 270 ff. InsO) und im Restruk­tu­rie­rungs­rah­men (Sta­RUG) dür­fen M&A‑Berater nicht an der frei­hän­di­gen Ver­wer­tung von Rech­ten mit Pfand- oder Abson­de­rungs­rech­ten mit­wir­ken. Der Schuld­ner ver­liert im Insol­venz­ver­fah­ren die freie Ver­wer­tungs­be­fug­nis (§ 80 InsO), und im Restruk­tu­rie­rungs­ver­fah­ren blei­ben Siche­rungs­rech­te unbe­rührt (§ 12 Sta­RUG). Eine frei­hän­di­ge Anteils­ver­äu­ße­rung ohne Wah­rung der Abson­de­rungs­rech­te ist rechts­wid­rig (§ 134 BGB), und der Bera­ter setzt sich einem erheb­li­chen  per­sön­li­chen Zivil­rechts- und Stra­f­ri­si­ko (§§ 823 Abs. 2, 27, 266 StGB) aus. § 12 Sta­RUG fixiert die Unbe­rührt­heit ding­li­cher Siche­rungs­rech­te; jede frei­hän­di­ge Ver­wer­tung sol­cher Rech­te wäre plan­wid­rig und damit rechts­wid­rig (§ 134 BGB).

Eine frei­hän­di­ge Ver­wer­tung ver­pfän­de­ter Rech­te bleibt unzu­läs­sig – auch in der Eigen­ver­wal­tung oder im Sanie­rungs-/Re­struk­tu­rie­rungs­ver­fah­ren.

 

Haf­tung bei Mit­wir­kung – wenn ein M&A‑Berater:

  • eine frei­hän­di­ge Anteils­ver­äu­ße­rung vor­be­rei­tet oder struk­tu­riert, obwohl Pfand­rech­te bestehen,
  • die erfor­der­li­che aktu­el­le und infor­mier­te Zustim­mung des Ver­pfän­ders vor Insol­venz (§ 1245 BGB) igno­riert oder umgeht,
  • oder die gesetz­li­che Ver­wer­tungs­ord­nung (§§ 1228 ff., 1245 BGB) umgeht,

dann begrün­det er die­sel­ben Haf­tungs­tat­be­stän­de wie im Regel­ver­fah­ren:

  • 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1228 ff. BGB: Ver­let­zung eines Schutz­ge­set­zes,
  • 830 BGB: Teil­nah­me an Pflicht­ver­let­zung des Eigen­ver­wal­ters,
  • 60 InsO ana­log: Mit­ver­ant­wort­lich­keit bei Schä­di­gung der Mas­se,
  • § 27, 266 StGB: Bei­hil­fe zur Untreue oder Miss­brauch der Ver­fü­gungs­be­fug­nis.

 

Ver­let­zung zwin­gen­der Pfand­ver­wer­tungs­nor­men (§§ 1228 ff., 1245 BGB) und die insol­venz­recht­li­che Zustän­dig­keits­ord­nung (§ 80 InsO) bewir­ken Rechts­fol­gen:

  • zivil­recht­li­che Haf­tung (§§ 823 Abs. 2, 830 BGB),
  • ver­trag­li­che Haf­tung (§ 280 BGB),
  • straf­recht­li­che Ver­ant­wor­tung (§§ 27, 266 StGB),
  • Nich­tig­keit der Trans­ak­ti­on (§ 134 BGB) und Rück­ab­wick­lung (§§ 812 ff. BGB).

Zur recht­li­chen Ein­ord­nung im Ein­zel­nen:

  1. Zivil­recht­li­che Haf­tung (§§ 280 ff., 311 Abs. 3, 826 BGB)

M&A‑Berater, die an der­ar­ti­gen Struk­tu­ren mit­wir­ken, über­neh­men fak­tisch eine recht­li­che Mit­ver­ant­wor­tung. Auch wenn sie for­mal kei­ne Orga­ne oder Ver­trags­par­tei­en sind, ent­steht ein gesetz­li­ches Schuld­ver­hält­nis mit Schutz­wir­kung zuguns­ten Drit­ter (§ 311 Abs. 3 BGB).

Wer in die­ser Rol­le die gesetz­li­che Ver­wer­tungs­ord­nung igno­riert, unrich­ti­ge recht­li­che Ein­schät­zun­gen abgibt oder aktiv zur Umge­hung des § 1235 BGB bei­trägt, haf­tet per­sön­lich – ent­we­der aus fahr­läs­si­ger Pflicht­ver­let­zung (§ 280 BGB) oder bei bewuss­ter Mit­wir­kung an einer rechts­wid­ri­gen Trans­ak­ti­on aus § 826 BGB.

Die Recht­spre­chung des BGH ist ein­deu­tig: Bera­ter, die an der Ver­kür­zung der Insol­venz­mas­se oder an der Umge­hung zwin­gen­der Nor­men mit­wir­ken, haf­ten per­sön­lich (BGH, Urt. v. 13.12.2018 – IX ZR 216/17; BGH, Urt. v. 23. 9. 2021 – IX ZR 51/19).

2. Insol­venz­spe­zi­fi­sche Haf­tung (§ 60 InsO, § 15b InsO, § 347 HGB)

Bera­ter, die in der Kri­se oder nach Insol­venz­er­öff­nung Trans­ak­tio­nen för­dern, wel­che die Ver­wer­tungs­ord­nung ver­let­zen, kön­nen haf­tungs­recht­lich erfasst wer­den. § 60 InsO ver­pflich­tet den Insol­venz­ver­wal­ter zur pflicht­ge­mä­ßen Ver­wal­tung der Mas­se; betei­ligt sich ein Drit­ter vor­sätz­lich oder grob fahr­läs­sig an einer Pflicht­ver­let­zung, ent­steht Mit­haf­tung nach § 830 BGB ana­log.

Für Bera­ter greift ergän­zend § 15b InsO (vor­mals § 64 GmbHG a.F.) sowie das kauf­män­ni­sche Sorg­falts­ge­bot des § 347 HGB: Wer als fach­kun­di­ger Drit­ter eine recht­lich ris­kan­te Struk­tur initi­iert, han­delt bei objek­ti­ver Pflicht­wid­rig­keit fahr­läs­sig im Sin­ne die­ser Vor­schrif­ten.

3. Straf­recht­li­che Haf­tung (§§ 27, 263, 266 StGB)

Neben zivil­recht­li­cher Ver­ant­wor­tung droht straf­recht­li­che Haf­tung, wenn der Bera­ter:
- an der Umge­hung von Siche­rungs­rech­ten mit­wirkt (§ 27 i.V.m. § 266 StGB),
- durch fal­sche Anga­ben Täu­schun­gen über die recht­li­che Zuläs­sig­keit begeht (§ 263 StGB),
- oder ver­strick­te Gegen­stän­de ver­äu­ßert (§ 136 StGB).

Beson­ders gra­vie­rend ist die Fort­füh­rung von M&A‑Prozessen nach Insol­venz­er­öff­nung. Mit Ver­fah­rens­er­öff­nung geht die Ver­fü­gungs­be­fug­nis auf den Insol­venz­ver­wal­ter über (§ 80 InsO). Eine eigen­mäch­ti­ge Fort­füh­rung durch Bera­ter oder Geschäfts­lei­ter ist nich­tig (§ 134 BGB).

Der BGH (Urt. v. 13. Okto­ber 2022 – IX ZR 156/21) hat klar­ge­stellt, dass § 166 InsO nicht auf die Ver­wer­tung von Rech­ten anwend­bar ist. Ein Insol­venz­ver­wal­ter kann eine unzu­läs­si­ge Pfand­ver­wer­tung also nicht nach­träg­lich geneh­mi­gen – sie bleibt rechts­wid­rig.

 

Lite­ra­tur und Markt­tra­di­ti­on – die unter­schätz­te Lücke

Bemer­kens­wert ist, dass die füh­ren­de M&A‑Literatur die The­ma­tik der Abson­de­rungs­rech­te weit­ge­hend aus­spart. Weder in Aller­ts „Distres­sed M&A“ (Mün­chen: 2022) noch in ande­ren ver­brei­te­ten Hand­bü­chern wird § 1235 BGB als zen­tra­les Schutz­in­stru­ment erwähnt.

Dadurch ent­steht der Ein­druck, das M&A‑Verfahren sei gesetz­lich gleich­wer­tig mit der öffent­li­chen Ver­stei­ge­rung. Das ist rechts­dog­ma­tisch unzu­tref­fend: Die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung ist das gesetz­lich vor­ge­se­he­ne, hoheit­lich legi­ti­mier­te Ver­fah­ren. Der frei­hän­di­ge Ver­kauf (§ 1245 BGB) bleibt die eng begrenz­te Aus­nah­me – nicht der Markt­stan­dard.

 

Rechts­kon­for­mi­tät schafft Ver­trau­en, Markt­öff­nung und Haf­tungs­si­cher­heit

  • 1235 BGB ist kein Relikt, son­dern der recht­li­che Garant für Trans­pa­renz, Gleich­be­hand­lung und Markt­preis­bil­dung. § 1245 BGB ist kei­ne fle­xi­ble Opti­on, son­dern eine enge Aus­nah­me mit Zustim­mungs­vor­be­halt.

    Wer die­se Grund­sät­ze beach­tet, han­delt rechts­kon­form, haf­tungs­si­cher und öko­no­misch ratio­nal. Die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung bie­tet kla­re, objek­ti­ve und nach­weis­ba­re Vor­tei­le gegen­über der frei­hän­di­gen M&A‑Verwertung:

    - Rechts­kon­for­mi­tät: gesetz­lich legi­ti­mier­tes Ver­fah­ren nach § 1235 BGB.
    - Fina­li­tät: Zuschlag als Hoheits­akt (§ 383 BGB n.F.) – kei­ne Nach­ver­hand­lung, kei­ne auf­schie­ben­den Bedin­gun­gen.
    - Trans­pa­renz: glei­che Infor­ma­ti­ons­la­ge, glei­che Zugangs­be­din­gun­gen (NDA) für alle geprüf­ten Bie­ter (KYC/AML, Sanc­tions)
    - Haf­tungs­frei­heit: doku­men­tier­te Markt­preis­bil­dung; der Pfand­gläu­bi­ger erfüllt nach­weis­lich sei­ne Pflich­ten (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB), Bestä­ti­gung der zivil­recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen.
    - Effi­zi­enz: fes­te Fris­ten, stan­dar­di­sier­te Abläu­fe, kla­re Kos­ten­struk­tur.
    - Recht­li­che Voll­wir­kung:
    – Gewähr­leis­tungs­aus­schluss nach § 445 BGB – der Zuschlag been­det das Ver­fah­ren ohne spä­te­re Män­gel­haf­tung,
    – gut­gläu­bi­ger Erwerb nach § 935 Abs. 2 BGB – der Erwer­ber erlangt Eigen­tum auch an zuvor ver­pfän­de­ten Rech­te (Inha­ber­pa­pie­re).
      – fina­le und unan­fecht­ba­re Wert­fest­stel­lung – der Zuschlag doku­men­tiert den objek­ti­ven Markt­wert hoheit­lich und abschlie­ßend.

    Damit schafft die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung das, was klas­si­sche M&A‑Prozesse regel­mä­ßig nicht gewähr­leis­ten: Rechts­klar­heit, öko­no­mi­sche End­gül­tig­keit und eine ein­deu­ti­ge, unan­greif­ba­re Wert­fest­stel­lung.

    Dem­ge­gen­über führt die fort­ge­setz­te Pra­xis der Distressed‑M&A‑Verwertung ohne Beach­tung der Pfand­ver­wer­tungs­ord­nung zu Rechts­un­si­cher­heit, Anfech­tungs­ri­si­ken und poten­zi­el­ler per­sön­li­cher Haf­tung der betei­lig­ten Akteu­re.

    Die Deut­sche Pfand­ver­wer­tung steht für das Gegen­teil die­ser Risi­ken bei ord­nungs­ge­mä­ßer Umset­zung: Sie ver­bin­det juris­ti­sche Prä­zi­si­on, öko­no­mi­sche Effi­zi­enz und hoheit­li­che Legi­ti­ma­ti­on. Wo Ver­hand­lun­gen enden und Rechts­fol­gen begin­nen, schafft die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung das, was M&A‑Strukturen nicht leis­ten kön­nen – Rechts­kon­for­mi­tät, Markt­öff­nung und end­gül­ti­ge Ver­bind­lich­keit.

 

Markt­rou­ti­ne, Insol­venz­pra­xis und Geset­zes­bin­dung – ein sys­te­ma­ti­scher Ver­gleich

In der deut­schen Trans­ak­ti­ons­pra­xis, ins­be­son­de­re bei soge­nann­ten Distres­sed M&A‑Fällen, hat sich ein Vor­ge­hen eta­bliert, das öko­no­misch zweck­mä­ßig erschei­nen mag, recht­lich jedoch auf rechts­wid­ri­gem Boden steht. Sowohl M&A‑Berater als auch Insol­venz­ver­wal­ter beru­fen sich häu­fig auf Markt­üb­lich­keit, Ver­fah­rens­öko­no­mie oder prak­ti­sche Zwän­ge – und über­se­hen dabei, dass die §§ 1228 ff. BGB eine zwin­gen­de, abschlie­ßen­de Pfand­ver­wer­tungs­ord­nung bil­den. Der gesetz­li­che Regel­fall ist die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung (§ 1235 BGB); die frei­hän­di­ge Ver­wer­tung (§ 1245 BGB) ist eine eng begrenz­te Aus­nah­me. Wird die­se Struk­tur miss­ach­tet, sind die Fol­gen gra­vie­rend: Rechts­wid­rig­keit, Nich­tig­keit (§ 134 BGB) und per­sön­li­che Haf­tung (§ 60 InsO, § 347 HGB).

 

Ers­tens — Die Per­spek­ti­ve des M&A‑Beraters

M&A‑Berater argu­men­tie­ren, § 1245 BGB ermög­li­che eine fle­xi­ble Hand­ha­bung der Pfand­ver­wer­tung. Die Zustim­mung des Ver­pfän­ders kön­ne kon­klu­dent erfol­gen oder aus frü­he­ren Ver­ein­ba­run­gen „fort­wir­ken“. In der Kri­sen- oder Insol­venz­si­tua­ti­on sei rasches Han­deln erfor­der­lich; daher sei es „markt­üb­lich“, mit pau­scha­len Zustim­mungs­klau­seln oder still­schwei­gen­den Dul­dun­gen zu arbei­ten. Man beruft sich auf öko­no­mi­sche Zweck­mä­ßig­keit und behaup­tet, eine öffent­li­che Ver­stei­ge­rung sei zu for­mal, zu kom­pli­ziert und zu lang­sam.

Die­se Dar­stel­lung ist inhalt­lich falsch und recht­lich unbe­grün­det.
Gera­de die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung ist das struk­tu­rier­tes­te, schnells­te und effi­zi­en­tes­te Ver­fah­ren:
Sie folgt einem bewähr­ten, stan­dar­di­sier­ten Pro­ce­de­re, beruht auf vor­han­de­nen rechts­kon­for­men Ver­trags­wer­ken, nutzt eine eige­ne digi­ta­le Infra­struk­tur mit welt­wei­ter Reich­wei­te, ermög­licht pro­fes­sio­nel­le Markt­er­schlie­ßung und stützt sich auf ein eta­blier­tes inter­na­tio­na­les Inves­toren­netz­werk.
Damit ist sie weder büro­kra­tisch noch ver­zö­gert, son­dern im Gegen­teil – trans­pa­rent, stan­dar­di­siert und hoch­ef­fi­zi­ent.

Dem­ge­gen­über sind klas­si­sche M&A‑Verfahren tat­säch­lich lang­sam, über­kom­plex, streit­be­fan­gen und kos­ten­in­ten­siv:
Sie erfor­dern eigens zu erstel­len­de umfang­rei­che Ver­trags­wer­ke, sepa­ra­te Daten­räu­me, lang­wie­ri­ge Due-Dili­gence-Pro­zes­se, Geneh­mi­gungs­vor­be­hal­te und oft mehr­stu­fi­ge Ver­hand­lun­gen.
Gera­de die­se Struk­tu­ren von meist 3 bis 12 Mona­ten Dau­er, aber auch Retai­ner, unvor­her­seh­ba­re Stun­den­ho­no­re sowie Suc­cess Fees, machen M&A zeit- und kos­ten­in­ten­siv, wäh­rend die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung schnell, nach­voll­zieh­bar und final ist.

Recht­lich gilt: § 1245 BGB ver­langt eine aktu­el­le, infor­mier­te und auf den kon­kre­ten Ver­wer­tungs­fall bezo­ge­ne Zustim­mung des Ver­pfän­ders (vgl. Palandt/Ellenberger, § 1245 Rn. 1 f.; MüKoBGB/Schwab, § 1245 Rn. 4–6). Eine pau­scha­le oder vor­weg­ge­nom­me­ne Zustim­mung ist gemäß § 1245 Abs. 2 BGB aus­drück­lich unwirk­sam. Eine ver­meint­li­che „Markt­üb­lich­keit“ ersetzt kei­ne Rechts­grund­la­ge. Gewohn­heits­recht con­tra legem exis­tiert nicht (BGHZ 75, 183 = NJW 1980, 2738).

Jede frei­hän­di­ge Ver­wer­tung im vor­insol­venz­li­chen Kon­text ohne aktu­el­le Zustim­mung ver­stößt gegen zwin­gen­des Recht (§ 134 BGB). Das Pfand­recht bleibt bestehen (§ 1252 BGB), und der Erwer­ber erlangt kein las­ten­frei­es Eigen­tum. § 1245 Abs. 2 BGB ist zugleich als Schutz­ge­setz im Sin­ne des § 823 Abs. 2 BGB anzu­se­hen, da er den Ver­pfän­der vor Über­vor­tei­lung in Druck­si­tua­tio­nen schützt und die zwin­gen­de Ver­wer­tungs­ord­nung absi­chert. Mit Ein­tre­ten der Insol­venz ist die Ver­wer­tung ver­pfän­de­ter Unter­neh­mens­an­tei­le und sons­ti­ger Rech­te aus­schließ­lich im Wege der öffent­li­chen Ver­stei­ge­rung gemäß Para­graf 12 35 BGB zuläs­sig.

 

Zwei­tens: Die Per­spek­ti­ve des Insol­venz­ver­wal­ters

Auch Insol­venz­ver­wal­ter argu­men­tie­ren regel­mä­ßig mit öko­no­mi­scher Zweck­mä­ßig­keit. Sie ver­ste­hen sich als „Herr des Ver­fah­rens“ (§§ 80, 148 InsO) und lei­ten dar­aus eine fak­ti­sche Geneh­mi­gungs­be­fug­nis für die Ver­wer­tung ver­pfän­de­ter Rech­te ab. Oft wird § 166 InsO – der die Ver­wer­tung beweg­li­cher Sachen regelt – ana­log auf Rech­te ange­wen­det. Dar­aus soll fol­gen, dass der Ver­wal­ter frei­hän­di­ge Ver­käu­fe von Betei­li­gun­gen, Lizen­zen oder imma­te­ri­el­len Rech­ten im Rah­men eines Asset Deals geneh­mi­gen kön­ne, um die Mas­se zu opti­mie­ren und den Unter­neh­mens­er­halt zu för­dern.

Die­se Argu­men­ta­ti­on ist rechts­dog­ma­tisch unhalt­bar. § 166 Abs. 1 InsO betrifft aus­schließ­lich kör­per­li­che Sachen; auf Rech­te, Unter­neh­mens­an­tei­le oder imma­te­ri­el­le Ver­mö­gens­wer­te ist die Norm nicht anwend­bar. Der BGH, Urteil vom 27. Okto­ber 2022 – IX ZR 145/21, hat dies aus­drück­lich bestä­tigt. Der Insol­venz­ver­wal­ter besitzt somit kei­ne gesetz­li­che Befug­nis, eine Pfand­ver­wer­tung an Rech­ten selbst durch­zu­füh­ren, zu geneh­mi­gen oder zu beauf­tra­gen.

Gleich­wohl wird in der Pra­xis häu­fig behaup­tet, die Zustim­mung des Ver­pfän­ders lebe fort oder sei durch die Ver­wal­ter­ge­neh­mi­gung „ersetzt“. Tat­säch­lich erlischt die Zustim­mung des Ver­pfän­ders mit Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens, weil der Ver­pfän­der sei­ne Ver­fü­gungs­be­fug­nis ver­liert (§ 80 Abs. 1 InsO). Eine vor­insol­venz­li­che Zustim­mung ist nicht fort­wir­kend, da § 1245 Abs. 2 BGB einen Ver­zicht auf die gesetz­li­chen Ver­wer­tungs­re­geln vor Ein­tritt der Ver­kaufs­be­rech­ti­gung aus­drück­lich ver­bie­tet. Der Insol­venz­ver­wal­ter kann die Zustim­mung nicht erset­zen, da er kei­ne mate­ri­el­le Berech­ti­gung am Pfand­ob­jekt hat. Eine dar­auf gestütz­te Ver­wer­tung ist rechts­wid­rig und nich­tig (§ 134 BGB). § 1245 Abs. 2 BGB ist zugleich als Schutz­ge­setz im Sin­ne des § 823 Abs. 2 BGB anzu­se­hen, da er den Ver­pfän­der vor Über­vor­tei­lung in Druck­si­tua­tio­nen schützt und die zwin­gen­de Ver­wer­tungs­ord­nung absi­chert.

Beson­ders pro­ble­ma­tisch ist die in der Insol­venz­pra­xis ver­brei­te­te Gleich­set­zung bilan­zi­el­ler Akti­vie­rung mit recht­li­cher Ver­wert­bar­keit. Vie­le Ver­wal­ter fas­sen imma­te­ri­el­le Rech­te – Paten­te, Mar­ken, Soft­ware, Lizen­zen – als „wirt­schaft­li­che Ver­mö­gens­wer­te“ auf und inte­grie­ren sie pau­schal in Asset Deals. Doch die bilan­zi­el­le Erfas­sung ersetzt nicht den Rechts­vor­gang der Über­tra­gung oder Ver­wer­tung (§§ 413 ff. BGB). Jedes die­ser Rech­te unter­liegt sei­ner eige­nen Über­tra­gungs­ord­nung und gege­be­nen­falls einem Pfand­recht. Wer­den sol­che Rech­te ohne Beach­tung der §§ 1228 ff. BGB ver­wer­tet, liegt ein rechts­wid­ri­ger Ein­griff in ein Abson­de­rungs­recht vor, der nicht nur zur Nich­tig­keit der Trans­ak­ti­on (§ 134 BGB), son­dern auch zur per­sön­li­chen Haf­tung des Insol­venz­ver­wal­ters nach § 60 InsO führt. Die­se Haf­tung tritt neben die all­ge­mei­ne Scha­dens­er­satz­pflicht (§ 280 BGB) und kann bei gro­ber Fahr­läs­sig­keit oder bewuss­ter Miss­ach­tung der gesetz­li­chen Ver­wer­tungs­ord­nung auch straf­recht­lich rele­vant sein (§ 266 StGB).

Das Argu­ment, eine öffent­li­che Ver­stei­ge­rung sei „nicht prak­ti­ka­bel“, ist unzu­tref­fend.
Gera­de die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung ist stan­dar­di­siert, bewährt und voll digi­ta­li­siert.
Sie ermög­licht in kür­zes­ter Zeit die Durch­füh­rung rechts­kon­for­mer Ver­fah­ren, den Abruf vor­han­de­ner Ver­trags­mus­ter und die sofor­ti­ge welt­wei­te Markt­er­schlie­ßung über ein bestehen­des Netz­werk pro­fes­sio­nel­ler Inves­to­ren.
Sie ist damit nicht nur prak­ti­ka­bel, son­dern der effi­zi­en­tes­te, trans­pa­ren­tes­te und rechts­kon­forms­te Weg zur Ver­wer­tung.

Der Insol­venz­ver­wal­ter ist kein Ermes­sens­or­gan, son­dern Teil der Rechts­pfle­ge (§ 1 InsO) und damit an Gesetz und Recht gebun­den (Art. 20 Abs. 3 GG). Öko­no­mi­sche Zweck­mä­ßig­keit darf nicht zur Umge­hung zwin­gen­den Rechts füh­ren.

 

Drit­tens: Die Per­spek­ti­ve der gesetz­li­chen Pfand­ver­wer­tungs­ord­nung (§§ 1228 ff. BGB, § 166 InsO)

Die §§ 1228 ff. BGB bil­den eine zwin­gen­de und abschlie­ßen­de Ver­wer­tungs­ord­nung.
Nach § 1235 BGB ist die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung Regel­fall,
nach § 1245 BGB ist die frei­hän­di­ge Ver­wer­tung nur mit aktu­el­ler, infor­mier­ter Zustim­mung zuläs­sig,
und § 166 InsO regelt aus­schließ­lich den Son­der­fall kör­per­li­cher Sachen – auf Rech­te fin­det er kei­ne Anwen­dung (BGH IX ZR 145/21).
Die­se Sys­te­ma­tik dient dem Schutz des Ver­pfän­ders, der Gläu­bi­ger­gleich­be­hand­lung (§ 1 InsO) und der Rechts­si­cher­heit aller Betei­lig­ten.

Ein Ver­stoß gegen die­se Ord­nung hat kla­re Fol­gen:
– Rechts­wid­rig­keit und Nich­tig­keit des Ver­wer­tungs­ge­schäfts (§ 134 BGB),
– Fort­be­stand des Pfand­rechts (§ 1252 BGB),
– Rück­ab­wick­lung nach §§ 812 ff. BGB,
– Haf­tung des Pfand­gläu­bi­gers (§ 280 BGB),
– per­sön­li­che Haf­tung des Insol­venz­ver­wal­ters (§ 60 InsO) und gege­be­nen­falls Straf­bar­keit (§ 266 StGB).

Die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung ist nicht nur ein Ver­fah­rens­me­cha­nis­mus, son­dern ein hoheit­lich legi­ti­mier­ter Rechts­akt. Der Zuschlag (§§ 156, 383 BGB n.F.) been­det das Ver­fah­ren final, rechts­be­grün­dend und unan­fecht­bar. Er schafft Trans­pa­renz, Rechts­klar­heit und Markt­ge­rech­tig­keit – Wer­te, die weder durch Markt­üb­lich­keit noch durch öko­no­mi­schen Druck ersetzt wer­den dür­fen.

 

Fazit: Gesetz statt Gewohn­heit – Rechts­kon­for­mi­tät ist zwin­gend!

Sowohl M&A‑Berater als auch Insol­venz­ver­wal­ter beru­fen sich gern auf Gewohn­heit, Markt­stan­dard oder wirt­schaft­li­che Ver­nunft. Doch die­se Argu­men­te sind recht­lich unbe­acht­lich. Gewohn­heits­recht con­tra legem exis­tiert nicht, und § 1235 BGB lässt kei­nen Raum für infor­mel­le Ver­wer­tungs­prak­ti­ken.
Die Pfand­ver­wer­tung folgt einem zwin­gen­den Regel­ge­fü­ge:

  • § 1235 BGB: Öffent­li­che Ver­stei­ge­rung als Regel­fall,
  • § 1245 BGB: Frei­hän­di­ge Ver­wer­tung nur bei aktu­el­ler Zustim­mung,
  • § 166 InsO: Kei­ne Anwen­dung auf Rech­te (BGH IX ZR 145/21),
  • § 60 InsO: Per­sön­li­che Haf­tung des Insol­venz­ver­wal­ters bei rechts­wid­ri­gen Ver­fü­gun­gen.

Was in der Trans­ak­ti­ons­pra­xis als prag­ma­tisch gilt, ist recht­lich unzu­läs­sig.
Die Miss­ach­tung der gesetz­li­chen Ver­wer­tungs­ord­nung stellt kei­nen Markt­stan­dard, son­dern einen Geset­zes­ver­stoß dar.
Die öffent­li­che Ver­stei­ge­rung ist kein büro­kra­ti­sches Relikt, son­dern ein moder­nes, effi­zi­en­tes und rechts­kon­for­mes Ver­fah­ren mit kla­ren Abläu­fen, geprüf­ten Ver­trags­mus­tern, welt­wei­ter Reich­wei­te, pro­fes­sio­nel­ler Markt­er­schlie­ßung und eta­blier­tem Inves­to­ren­zu­gang.
Der Insol­venz­ver­wal­ter bleibt Organ der Rechts­pfle­ge und trägt per­sön­li­che Ver­ant­wor­tung für die Rechts­kon­for­mi­tät sei­nes Han­delns.
Was als „Markt­pra­xis“ erscheint, ist kein Recht – son­dern in die­sen Fäl­len schlicht ille­gal.

 

Lite­ra­tur- und Norm­ver­zeich­nis

BGB: §§ 90, 1228–1252, 134, 156, 280 ff., 311 Abs. 3, 347, 398, 413, 445, 823, 826
InsO: §§ 1, 35, 47, 50–52, 60, 80, 97, 129, 166
HGB: § 347
StGB: §§ 27, 136, 263, 266
BGH:
– BGH, Urt. v. 13. 12. 2018 – IX ZR 216/17
– BGH, Urt. v. 23. 9. 2021 – IX ZR 51/19
– BGH, Urt. v. 27.10.2022 – IX ZR 145/21
Kom­men­tar­stel­len:
– Palandt/Ellenberger, BGB, 83. Aufl. 2024, §§ 1235–1245 Rn. 1–6
– MüKoBGB/Schwab, 9. Aufl. 2023, §§ 1235–1245
– Staudinger/Bittner, BGB (2022), § 1245 Rn. 5 ff.
Lite­ra­tur:
– Allert, Arnd: Distres­sed M&A – Kauf und Ver­kauf von mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men in wirt­schaft­li­chen Kri­sen­zei­ten, Mün­chen: Franz Vah­len, 2022 (S. 207)

 

Autor

Fritz Eber­hard Oster­may­er
Prä­si­dent des BvV e.V. (Ber­lin) – Bun­des­ver­band öffent­lich bestell­ter, ver­ei­dig­ter und beson­ders qua­li­fi­zier­ter Ver­stei­ge­rer
All­ge­mein öffent­lich bestell­ter und ver­ei­dig­ter Ver­stei­ge­rer für alle Auk­ti­ons­ar­ten (§ 34b GewO)
IfUS-zer­ti­fi­zier­ter Restruk­tu­rie­rungs- & Sanie­rungs­be­ra­ter (Hei­del­berg)
Über 15 Jah­re Erfah­rung in der Ver­wer­tung von Gesell­schafts­an­tei­len

Kon­takt:
E‑Mail: office@deutsche-pfandverwertung.de  |  Tele­fon: 08027 908 9928

 

Dis­clai­mer

Die in die­sem Bei­trag ent­hal­te­nen Infor­ma­tio­nen, Bewer­tun­gen und recht­li­chen Erläu­te­run­gen die­nen aus­schließ­lich der all­ge­mei­nen fach­li­chen Infor­ma­ti­on. Sie stel­len kei­ne Rechts­be­ra­tung im Ein­zel­fall dar und kön­nen eine indi­vi­du­el­le recht­li­che Prü­fung durch einen Rechts­an­walt nicht erset­zen.

Die Deut­sche Pfand­ver­wer­tung han­delt nicht als Rechts­be­ra­ter, son­dern als öffent­lich bestell­te, ver­ei­dig­te Ver­stei­ge­rer, Spe­zia­list für die Ver­wer­tung von Rech­ten und Siche­rungs­gü­tern im Rah­men gesetz­lich vor­ge­ge­be­ner Ver­fah­ren sowie als zer­ti­fi­zier­te Sanie­rungs- und Restruk­tu­rie­rungs­be­ra­ter. 

Alle Inhal­te beru­hen auf öffent­lich zugäng­li­chen Quel­len, ein­schlä­gi­ger Recht­spre­chung und prak­ti­schen Erfah­run­gen aus der Ver­wer­tungs­pra­xis. Eine Haf­tung für die inhalt­li­che Rich­tig­keit oder Voll­stän­dig­keit wird aus­ge­schlos­sen.

 

 

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Pfand­rech­te — Alles Wis­sens­wer­te erklärt. Ein Pfand­recht kann sich sowohl auf Sachen, also phy­si­sche Gegen­stän­de, als auch auf Rech­te jeg­li­cher Art bezie­hen, wie zum Bei­spiel Unter­neh­mens­an­tei­le, Paten­te, Wert­pa­pie­re, IP-Rech­te, Domains, Lizen­zen oder Mar­ken­rech­te.

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