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Brand­be­schleu­ni­ger Insol­venz­recht

Brandbeschleuniger Insolvenzrecht

Brand­be­schleu­ni­ger Insol­venz­recht:

Eine The­se. Iin­spi­riert durch das Buch „Die Kunst des per­fek­ten Schei­terns“ von Chris­ti­an Riek.

Der Erhalt des Kapi­tal­stocks Deutsch­lands — und damit die Gesamt­heit der in Deutsch­land ansäs­si­gen Unter­neh­men — ist in wei­ten Tei­len mas­siv von der Insol­venz­wel­le bedroht. Der Werk­zeug­kas­ten, den das aktu­el­le Insol­venz­recht bie­tet, erweist sich als unge­eig­net, um die nega­ti­ven Fol­gen effek­tiv zu begren­zen. Die sich abzeich­nen­de, tief­grei­fen­de Wirt­schafts­kri­se legt die Kon­struk­ti­ons­feh­ler des Sys­tems scho­nungs­los offen. Aber auf einem Fun­da­ment mit unzu­rei­chen­der Sta­tik lässt sich kein sta­bi­les Gebäu­de errich­ten. Die Poli­tik steht jetzt in Ver­ant­wor­tung, Maß­nah­men zu ent­wi­ckeln, um die bevor­ste­hen­den Schä­den zumin­dest ein­zu­däm­men. Im Fol­gen­den wer­den die Ursa­chen der Kri­se sowie kurz­fris­ti­ge Lösungs­an­sät­ze beschrie­ben, die drin­gend zeit­nah umge­setzt wer­den müs­sen.

Prä­am­bel: Unse­re Ver­öf­fent­li­chung erfolgt ohne poli­ti­sche Moti­va­ti­on. Wir sind kei­ner Par­tei zuge­hö­rig, denn Par­tei­zu­ge­hö­rig­keit steht nicht im Ein­klang mit unse­rem Selbst­ver­ständ­nis. Wir haben uns der Unab­hän­gig­keit ver­pflich­tet und machen uns mit kei­ner Sache gemein. Unab­hän­gig davon, wel­che poli­ti­sche Kon­stel­la­ti­on aktu­ell an der Regie­rung ist, hal­ten wir es für ent­schei­dend, dass die drei Pro­duk­ti­ons­fak­to­ren – Arbeit, Boden und Kapi­tal – in einem aus­ge­wo­ge­nen Ver­hält­nis zuein­an­der­ste­hen. Wir beschäf­ti­gen uns nicht mit Mei­nun­gen, die unre­flek­tiert sub­jek­ti­ve Ansich­ten wie­der­ge­ben, son­dern mit Fak­ten, basie­rend auf kla­ren Evi­den­zen, die die Rea­li­tät wider­spie­geln. Der Begriff “Fakt” stammt vom latei­ni­schen fac­tum, was wie­der­um von face­re – “machen” oder “tun” – abge­lei­tet ist und etwas beschreibt, das tat­säch­lich gesche­hen ist. Fak­ten decken oft unbe­que­me Wahr­hei­ten auf, denen man sich aber stel­len muss.

Die ernst­haf­te Sor­ge um den Wirt­schafts­stand­ort treibt uns an. Wer in der Volks- und Betriebs­wirt­schaft ein The­ma auf­greift, erkennt schnell, dass am Ende alles mit­ein­an­der zusam­men­hängt. In die­sem Bei­trag kon­zen­trie­ren wir uns auf den Bereich, in dem wir Fach­wis­sen besit­zen: For­de­run­gen, Ver­bind­lich­kei­ten und Insol­ven­zen. Als öffent­lich bestell­te und ver­ei­dig­te Ver­stei­ge­rer wer­den wir bei der Rea­li­sie­rung von For­de­run­gen, ins­be­son­de­re bei leis­tungs­ge­stör­ten Ver­trä­gen, regel­mä­ßig ein­ge­schal­tet. Dadurch sind wir in die­sen Berei­chen stets nah am aktu­el­len Gesche­hen.

Der öster­rei­chi­sche Öko­nom Josef Schum­pe­ter betrach­te­te Insol­ven­zen als eine not­wen­di­ge und natür­li­che Fol­ge des kapi­ta­lis­ti­schen Sys­tems. Inef­fi­zi­en­te oder inno­va­ti­ons­ar­me Unter­neh­men schei­tern, wäh­rend neue, inno­va­ti­ve Unter­neh­men die Res­sour­cen und Märk­te über­neh­men. Dadurch ent­steht Raum für wirt­schaft­li­chen Fort­schritt. In einer funk­tio­nie­ren­den frei­en sozia­len Markt­wirt­schaft ist die Insol­venz ein­zel­ner Unter­neh­men ein Pro­zess der Markt­be­rei­ni­gung. Unpro­duk­ti­ve Unter­neh­men wer­den eli­mi­niert, wodurch Kapi­tal und Res­sour­cen effi­zi­en­ter genutzt und für inno­va­ti­ve­re, wett­be­werbs­fä­hi­ge­re Unter­neh­men ver­füg­bar gemacht wer­den. Insol­ven­zen för­dern somit den Fort­schritt, indem sie Druck auf Unter­neh­men aus­üben, sich kon­ti­nu­ier­lich wei­ter­zu­ent­wi­ckeln und anzu­pas­sen. Unter­neh­men, die die­sen Wan­del nicht recht­zei­tig voll­zie­hen, ris­kie­ren, durch den Pro­zess der “krea­ti­ven Zer­stö­rung” von inno­va­ti­ve­ren Wett­be­wer­bern ver­drängt zu wer­den. Die­ser inten­si­ve Wett­be­werb – sowohl natio­nal als auch inter­na­tio­nal – trägt lang­fris­tig zur Opti­mie­rung und zur Inno­va­ti­on in Unter­neh­men bei.

Die Wirt­schafts­mo­del­le der Öster­rei­chi­schen Schu­le, ent­wi­ckelt von Öko­no­men wie von Mises, Hay­ek und Schum­pe­ter, wur­den von Lud­wig Erhard, dem ers­ten Wirt­schafts­mi­nis­ter der Deut­schen Bun­des­re­pu­blik, trotz anfangs erheb­li­cher Wider­stän­de in die Wirt­schafts­po­li­tik inte­griert. Die­se Model­le stütz­ten sich auf das BGB und HGB. Beson­ders emp­feh­lens­wert in die­sem Zusam­men­hang sind Fried­rich A. Hay­eks Stan­dard­werk Der Weg zur Knecht­schaft, Car­los A. Gebau­ers War­nung vor der Knecht­schaft und Lud­wig Erhards Wohl­stand für Alle, die wir unten in der Beschrei­bung ver­linkt haben. Lud­wig Erhard spiel­te eine ent­schei­den­de Rol­le beim schnel­len Wie­der­auf­bau nach dem Zwei­ten Welt­krieg und dem Erfolg des Wirt­schafts­wun­ders. Bedau­er­li­cher­wei­se haben wir die­ses für unser Land so erfolg­rei­che Wirt­schafts­mo­dell inzwi­schen hin­ter uns gelas­sen.

Die Bun­des­re­pu­blik steht vor der schwers­ten Wirt­schafts­kri­se seit ihrem Bestehen. Die deut­sche Wirt­schaft schrumpft und sackt immer tie­fer in den rezes­si­ven Bereich. In vie­len Sek­to­ren gehen die Auf­trags­ein­gän­ge fast auf Null zurück, und die Zahl der Unter­neh­mens­in­sol­ven­zen steigt unauf­hör­lich. Aus­lö­ser hier­für sind zumeist exo­ge­ne Fak­to­ren, auf die die Unter­neh­men kaum oder gar kei­nen Ein­fluss haben. Die Pro­gno­sen las­sen in abseh­ba­rer Zeit kei­ne Bes­se­rung erwar­ten. Die Wirt­schaft steht vor enor­men Her­aus­for­de­run­gen, und jeder soll­te sich auf einen Ver­lust an Wohl­stand ein­stel­len.

Am 11. Sep­tem­ber 2024 war in der WELT zu lesen, dass im ers­ten Halb­jahr fast 25 Pro­zent mehr Unter­neh­men Insol­venz ange­mel­det haben als im Vor­jahr. Die For­de­run­gen der Gläu­bi­ger bezif­fern die Gerich­te auf rund 32,4 Mil­li­ar­den Euro – ein deut­li­cher Anstieg im Ver­gleich zu den 13,9 Mil­li­ar­den Euro im ers­ten Halb­jahr 2023. Es ist bei die­sen Zah­len zu beach­ten, dass Insol­venz­an­trä­ge erst nach der ers­ten Ent­schei­dung der Insol­venz­ge­rich­te in die Sta­tis­tik ein­flie­ßen, wobei der tat­säch­li­che Antrag oft bereits drei Mona­te vor­her gestellt wur­de.

Mit der Zunah­me der Fir­men­plei­ten steigt laut Alli­anz Trade auch die Zahl der Groß­in­sol­ven­zen: Im ers­ten Halb­jahr 2024 wur­den bereits 40 Fäl­le ver­zeich­net, was nicht nur der höchs­te Wert seit 2015 ist, son­dern auch einen Anstieg von über einem Drit­tel im Ver­gleich zum Vor­jah­res­zeit­raum dar­stellt. Groß­in­sol­ven­zen haben oft einen Domi­no­ef­fekt auf vie­le Unter­neh­men ent­lang der gesam­ten Lie­fer­ket­te. „Nicht sel­ten wer­den sie mit­ge­ris­sen und gera­ten selbst in den Abwärts­sog, der im schlimms­ten Fall eben­falls in der Zah­lungs­un­fä­hig­keit endet“, erklärt Milo Bogaerts, Geschäfts­füh­rer des Kre­dit­ver­si­che­rers.

Die düs­te­re Pro­gno­se des Wirt­schafts­teils der Welt vom 10. Sep­tem­ber 2024 lau­tet: „37 Pro­zent mehr Groß­in­sol­ven­zen – und der ‘Sturm der Fir­men­plei­ten’ steht erst bevor.“ Der Nega­tiv­trend dürf­te sich in der zwei­ten Jah­res­hälf­te fort­set­zen, wobei sowohl der wirt­schaft­li­che Scha­den als auch die Zahl der bedroh­ten Arbeits­plät­ze rapi­de anstei­gen. Die Che­fin der Bun­des­agen­tur für Arbeit, Andrea Nah­les (SPD), pro­gnos­ti­ziert für 2025 eine Arbeits­lo­sen­zahl von 3 Mil­lio­nen. Laut Alli­anz Trade liegt der kumu­lier­te Umsatz der insol­ven­ten Groß­un­ter­neh­men im ers­ten Halb­jahr bereits bei 11,6 Mil­li­ar­den Euro, womit der Gesamt­scha­den des Vor­jah­res bereits nach den ers­ten sechs Mona­ten über­trof­fen wur­de. Der durch­schnitt­li­che Umsatz der betrof­fe­nen Groß­un­ter­neh­men beträgt rund 290 Mil­lio­nen Euro, ein Anstieg von 85 Pro­zent im Ver­gleich zum Vor­jah­res­zeit­raum.

Ein neu­er Höchst­stand bei not­lei­den­den Kre­di­ten ist unver­meid­lich. Stei­gen­de Insol­venz­zah­len füh­ren zwangs­läu­fig zu einer Zunah­me der Kre­dit­ri­si­ken und ‑aus­fäl­le, was den Vor­sor­ge­be­darf der Ban­ken wei­ter erhöht. Trotz aktu­ell gesun­ke­ner Leit­zin­sen müs­sen Kre­dit­ver­ga­ben auf­grund der gestie­ge­nen Risi­ken deut­lich restrik­ti­ver gehand­habt wer­den. Die Inten­si­ve Care Abtei­lun­gen der Ban­ken ste­hen vor der Her­aus­for­de­rung, ob sie ange­sichts der MaRisk- und Basel-Regu­la­ri­en die Sanie­rung von ange­schla­ge­nen Unter­neh­men wei­ter­hin wie bis­her unter­stüt­zen kön­nen. Unter­su­chun­gen von Ban­ken zei­gen, dass Unter­neh­men, die inner­halb von fünf Jah­ren nach einer Sanie­rung erneut Insol­venz anmel­den, fast 1,5‑mal häu­fi­ger abge­wi­ckelt wer­den. Der Abbau und die Ver­mei­dung not­lei­den­der Kre­di­te wird für Ban­ken daher von zen­tra­ler Bedeu­tung. Die Aus­rei­chung neu­er Kre­di­te wird sich auf­grund ver­schlech­ter­ter Scoring-Wer­te ver­teu­ern. Die­se höhe­ren Kos­ten wer­den in die Kre­dit­kon­di­tio­nen ein­ge­preist, was die Wett­be­werbs­fä­hig­keit deut­scher Anbie­ter auf den Welt­märk­ten wei­ter schwächt.

Vie­le glau­ben jetzt, dass das Ende des Tun­nels irgend­wann erreicht sein wird und es danach, wie schon frü­her, wie­der berg­auf geht. Doch was die­se Opti­mis­ten in ihrem nai­ven Glau­ben noch nicht berück­sich­ti­gen: Die eigent­li­che Implo­si­on wei­ter Tei­le der Wirt­schaft steht uns noch bevor. Die Lage spitzt sich von Monat zu Monat, von Woche zu Woche und von Tag zu Tag wei­ter zu, und die Wirt­schaft hat dies bis­her noch nicht voll­stän­dig dis­kon­tiert. Die aktu­el­len Ver­wer­fun­gen reflek­tie­ren meist nur den all­ge­mei­nen Rück­gang.

War­um ist das so? Die bevor­ste­hen­de Insol­venz­wel­le steht in Kor­re­la­ti­on mit einem man­gel­haft gestal­te­ten Insol­venz­recht. Durch das Insol­venz­recht, das viel­leicht in wirt­schaft­li­chen Schön­wet­ter­pe­ri­oden noch funk­tio­niert hät­te, tau­melt unse­re Wirt­schaft direkt in den per­fek­ten Sturm. Die Män­gel die­ses feh­ler­haf­ten, von Inter­es­sen gelei­te­ten Geset­zes – anders lässt es sich kaum noch nen­nen – sind dem Gesetz­ge­ber wohl bekannt. Bereits wäh­rend der Finanz­kri­se 2008 und erneut in der Coro­na-Pan­de­mie wur­de auf das Gesetz nicht ver­traut und die Insol­venz­an­trags­pflicht durch ad-hoc-Ent­schei­dun­gen zwei­mal aus­ge­setzt. In Kom­bi­na­ti­on mit der Nied­rig­zins­po­li­tik der Euro­päi­schen Zen­tral­bank ent­stan­den so volks­wirt­schaft­lich schäd­li­che Zom­bie­un­ter­neh­men.

Für ein ein­zel­nes Unter­neh­men in Schief­la­ge mag das Insol­venz­recht einen zeit­lich begrenz­ten Auf­schub bie­ten. Den Preis für die unzu­rei­chen­de Aus­ge­stal­tung die­ses Rechts zah­len jedoch alle betrof­fe­nen Gläu­bi­ger – und letzt­lich auch die All­ge­mein­heit. Es schwächt die Eigen­ka­pi­tal­ba­sis der Unter­neh­men und min­dert damit die Resi­li­enz der noch gesun­den Fir­men, ins­be­son­de­re jener, die bald eben­falls ums Über­le­ben kämp­fen wer­den. Als Fol­ge müs­sen wir uns auf Wohl­stands­ver­lus­te und erheb­li­che wirt­schaft­li­che Tur­bu­len­zen ein­stel­len. Es bleibt frag­lich, ob die Gene­ra­tio­nen, die im Berufs­le­ben ste­hen und an ein sor­gen­frei­es Leben gewöhnt sind, über­haupt in der Lage sein wer­den, die bevor­ste­hen­den Her­aus­for­de­run­gen zu bewäl­ti­gen.

Was ist der Ursprung die­ses unaus­weich­li­chen Deba­kels, das uns bevor­steht? Unter der Ägi­de der dama­li­gen Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­rin Her­ta Däub­ler-Gme­lin, die dem lin­ken Flü­gel der SPD zuge­rech­net wird, setz­te die rot-grü­ne Koali­ti­on eine grund­le­gen­de Novel­lie­rung des Bür­ger­li­chen Gesetz­buchs im Schuld­recht durch, die zuguns­ten der Schuld­ner aus­ge­legt war und am 1. Janu­ar 2002 in Kraft trat. Aus der Unter­neh­mer­schaft gab es kei­nen nen­nens­wer­ten Wider­spruch, da vie­len die Trag­wei­te einer Insol­venz oft erst dann bewusst wird, wenn sie selbst betrof­fen sind. Sie haben vor allem die eige­nen Vor­tei­le gese­hen – ganz nach dem Sankt-Flo­ri­an-Prin­zip „Ver­schon‘ mein Haus, zünd’s and’re an“ – und nicht die nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen auf die gesam­te Wirt­schaft. Die Absicht, Arbeits­plät­ze von ins Strau­cheln gera­te­nen Unter­neh­men zu ret­ten, fand beson­ders bei den Gewerk­schaf­ten Zuspruch und klang für volks­wirt­schaft­lich weni­ger infor­mier­te Tei­le der Gesell­schaft plau­si­bel. Ohne die lang­fris­ti­gen Wir­kungs­ket­ten zu beden­ken, wur­de die seit fast 100 Jah­ren bewähr­te Kon­kurs­ord­nung auf­ge­ge­ben. Getrie­ben von Par­ti­ku­lar­in­ter­es­sen wur­den seit­dem in der Insol­venz­ord­nung regel­mä­ßig neue Rege­lun­gen ein­ge­führt, die zulas­ten der Gläu­bi­ger gehen.

Wäh­rend der Gesetz­ge­bungs­pro­zes­se wur­de schein­bar weder geprüft, ob die­se Rege­lun­gen mit den über­ge­ord­ne­ten euro­päi­schen Rechts­vor­ga­ben kom­pa­ti­bel waren, noch wel­che weit­rei­chen­den Fol­gen die Novel­lie­run­gen in einer grö­ße­ren Wirt­schafts­kri­se haben könn­ten. Das sozia­lis­tisch moti­vier­te Ziel bestand dar­in, den Fort­be­stand von obso­le­ten Geschäfts­mo­del­len und deren Arbeits­plät­zen zu sichern, anstatt insol­ven­te Unter­neh­men abzu­wi­ckeln und an die Gläu­bi­ger die ihnen eigent­lich zuste­hen­den Erlö­se aus­zu­keh­ren. Der über­ge­ord­ne­te Plan war die Sanie­rung und Restruk­tu­rie­rung – aller­dings muss­te jemand die­ses Vor­ha­ben finan­zie­ren. Die­se Rol­le wur­de, im Ein­klang mit dem Welt­bild der damals poli­tisch Ver­ant­wort­li­chen, den ‘bösen’ Unter­neh­mern zuge­wie­sen, also den bis­he­ri­gen Eigen­tü­mern und Gläu­bi­gern.

Begeis­tert wur­den die Novel­lie­run­gen von dem Berufs­stand der Insol­venz­ver­wal­ter und deren Bera­tern auf­ge­nom­men, die in den neu­en Rege­lun­gen einen erwei­ter­ten Zugriff auf die ver­blie­be­nen Ver­mö­gens­wer­te und For­de­run­gen bei den Insol­venz­fäl­len erkann­ten und eine lukra­ti­ve Aus­wei­tung für ihr Geschäft sahen. Die gesetz­li­che Grund­la­ge war das erheb­lich ver­schärf­te Anfech­tungs­recht der Insol­venz­ver­wal­ter. Flan­kiert von der insol­venz­ver­walt­er­freund­li­chen Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs, die es Ver­wal­tern immer leich­ter mach­te, Gläu­bi­ger in die Ver­ant­wor­tung zu neh­men, wur­den die Prin­zi­pi­en der frei­en und sozia­len Markt­wirt­schaft sowie die Selbst­ver­ant­wor­tung und das Ver­ur­sa­cher­prin­zip aus­ge­he­belt – ohne Rück­sicht auf die lang­fris­ti­gen Fol­gen für die Gläu­bi­ger. Insol­venz­an­fech­tun­gen kön­nen sich heu­te auf meh­re­re Jah­re zurück­lie­gen­de Rechts­hand­lun­gen erstre­cken. In eini­gen Fäl­len kön­nen Insol­venz­ver­wal­ter sogar Zah­lun­gen, die Gläu­bi­ger von ihren Schuld­nern bereits erhal­ten haben, rück­wir­kend bis zu zehn Jah­re zurück­for­dern.

Was war der eigent­li­che Grund­pfei­ler für den Erfolg der deut­schen Wirt­schaft? Es sind nicht immer die bes­se­ren Pro­duk­te – denn auch ande­re Län­der bie­ten exzel­len­te Qua­li­tät. Toyo­ta baut die lang­le­bi­ge­ren Autos, und die Ita­lie­ner glän­zen mit bes­se­rem Mar­ke­ting und Design. Wor­in liegt also der Grund des Erfolgs? Es war die inter­na­tio­nal aner­kann­te Zuver­läs­sig­keit des deut­schen Rechts­sys­tems und der zwei­fels­frei unan­tast­ba­re Bestand der Eigen­tums­rech­te. Doch aus ideo­lo­gi­schen Grün­den wur­de dies leicht­fer­tig und ohne Not auf­ge­ge­ben. Sobald man auch nur par­ti­ell die Axt an die Eigen­tums­rech­te legt, setzt man den lang­fris­ti­gen Ver­trau­ens­ver­lust in die Rechts­staat­lich­keit in Gang. Das ist eine Sün­de gegen den Grund­satz von Treu und Glau­ben des ehr­ba­ren Kauf­manns – eine Sün­de, die nicht ver­zie­hen wird.

Die­ser staat­li­che Ein­griff in die Markt­wirt­schaft, vor allem durch das Insol­venz­recht, wird sich bald als ver­hee­rend für unse­re Volks­wirt­schaft her­aus­stel­len. In die­sem Zusam­men­hang sei die bri­ti­sche Pre­mier­mi­nis­te­rin Mar­ga­ret That­cher zitiert: „Der Sozia­lis­mus funk­tio­niert immer nur so lan­ge, bis ihm das Geld ande­rer Leu­te aus­geht“.

Ein exem­pla­ri­sches Bei­spiel für Fehl­al­lo­ka­tio­nen ist der Insol­venz­fall Kar­stadt Quel­le, des­sen Fol­gen uns bis heu­te beschäf­ti­gen. Das Unter­neh­men wur­de von der Insol­venz­ver­wal­tung Görg, nach Berech­nung ihres Hono­rars in Höhe von 50 Mil­lio­nen Euro – wie in einem Arti­kel der WELT vom 29.10.2012 berich­tet wur­de – mit dem Ver­spre­chen, die Kauf­häu­ser zu erhal­ten, für einen sym­bo­li­schen Euro an den Hedge­fonds von Nico­las Berg­gruen ver­kauft. Der Koblen­zer Hoch­schul­leh­rer und ehe­ma­li­ge Insol­venz­rich­ter Pro­fes­sor Hans Haar­mey­er kri­ti­sier­te das Vor­ge­hen laut der Süd­deut­schen Zei­tung: „Statt die Gläu­bi­ger best­mög­lich zu befrie­di­gen, ver­sorgt die Abwick­lung eines Insol­venz­ver­fah­rens offen­bar weit­ge­hend nur die Insol­venz­ver­wal­ter und die mit ihnen ver­bun­de­nen Struk­tu­ren.“

Die dama­li­ge Bun­des­ar­beits­mi­nis­te­rin und heu­ti­ge Kom­mis­si­ons­prä­si­den­tin der Euro­päi­schen Uni­on, Ursu­la von der Ley­en, ver­kün­de­te in einem medi­en­wirk­sa­men Fern­seh­auf­tritt die­se Lösung als Erfolg. Nico­las Berg­gruen, wie er spä­ter selbst in einem Inter­view mit der WELT vom 27.09.2024 zugab, war mit der Auf­ga­be über­for­dert und ver­kauf­te, nach­dem er wahr­schein­lich auch sei­nen Vor­teil gezo­gen hat­te, das Unter­neh­men an den öster­rei­chi­schen Immo­bi­li­en­spe­ku­lan­ten René Ben­ko wei­ter. Mit dem neu­en Eigen­tü­mer Ben­ko ging das Unter­neh­men erneut in den Ruin, wor­auf­hin die öffent­li­che Hand mit den von den Bür­gern hart erar­bei­te­ten Steu­er­gel­dern ein­sprin­gen muss­te, um den wei­te­ren Erhalt des Unter­neh­mens zu sichern.

Schwer­wie­gen­der in sei­ner lang­fris­ti­gen Aus­wir­kung ist jedoch das Urteil des Euro­päi­schen Gerichts­hofs (EuGH) vom 22. April 2021 (Akten­zei­chen C‑73/20 – Oel­trans Befrach­tungs­ge­sell­schaft), das für den Gesetz­ge­ber einen her­ben Rück­schlag dar­stellt. Ver­kürzt dar­ge­stellt: Im Zusam­men­hang mit der Insol­venz­an­fech­tung ent­schied der EuGH, dass sich aus­län­di­sche Gläu­bi­ger mit Sitz in einem EU-Mit­glied­staat aus Grün­den des Ver­trau­ens­schut­zes auf das Insol­venz­an­fech­tungs­recht ihres Hei­mat­lan­des beru­fen kön­nen, wenn die ange­foch­te­ne Zah­lung dort nicht anfecht­bar ist. Beson­ders wirk­sam ist die­se Ver­tei­di­gung gegen Anfech­tungs­an­sprü­che bei­spiels­wei­se für öster­rei­chi­sche Gläu­bi­ger, da in Öster­reich Anfech­tungs­kla­gen inner­halb eines Jah­res nach Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens erho­ben wer­den müs­sen. Häu­fig hat der Insol­venz­ver­wal­ter in die­sem Zeit­raum noch nicht ein­mal die rele­van­ten Sach­ver­hal­te ermit­telt.

Die­ses EuGH-Urteil eröff­net Unter­neh­men mit aus­län­di­schen Kon­zern­ge­sell­schaf­ten die Mög­lich­keit, bei ent­spre­chen­der Ver­trags­ge­stal­tung Geschäfts­vor­gän­ge über Gesell­schaf­ten in Län­dern abzu­wi­ckeln, in denen das Insol­venz­an­fech­tungs­recht für Gläu­bi­ger vor­teil­haf­ter ist, ins­be­son­de­re wenn der Geschäfts­part­ner ein unsi­che­res Zah­lungs­ver­hal­ten auf­weist. Die­se Ungleich­be­hand­lung ver­schafft gro­ßen Kon­zer­nen zusätz­li­che Wett­be­werbs­vor­tei­le und stellt einen Affront gegen­über inlän­di­schen Gläu­bi­gern dar, die nicht von sol­chen Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten pro­fi­tie­ren kön­nen.

Die­se Anoma­lie im deut­schen Recht, die den erwei­ter­ten Zugriff auf bereits erbrach­te Leis­tun­gen ermög­licht, wird von vie­len als Ent­eig­nung emp­fun­den. Bei­spiel­haft berich­te­te uns ein Unter­neh­mer, dass sein Betrieb seit drei Gene­ra­tio­nen exis­tie­re und über 50 Mit­ar­bei­ter beschäf­ti­ge. Im Ver­gleich zu sei­nen Mit­be­wer­bern in ande­ren euro­päi­schen Län­dern sei sein Unter­neh­men durch die höchs­ten Steu­ern, Abga­ben und Ener­gie­prei­se stark belas­tet. Sei­ne Wett­be­werbs­fä­hig­keit ste­he auf der Kip­pe. Bereits jetzt arbei­te er am Limit, und die toxi­sche Kom­bi­na­ti­on aus For­de­rungs­ver­lus­ten und dem zusätz­li­chen Ader­lass durch die Insol­venz­an­fech­tung sei für ihn nicht mehr trag­bar.

Wenn wir die­sen Zustand auf eine mit­tel­fris­ti­ge Per­spek­ti­ve extra­po­lie­ren, bedeu­tet dies, dass die Wirt­schaft und unse­re Unter­neh­men gezwun­gen sind, das größ­te Paket an Ver­lus­ten zu tra­gen, wel­ches sich in der Geschich­te der frei­en und sozia­len Markt­wirt­schaft ange­häuft hat.

In der Gesamt­be­trach­tung kann die­ses Sys­tem nur so lan­ge funk­tio­nie­ren, wie immer wie­der neue Gläu­bi­ger ent­eig­net wer­den kön­nen, indem ihre For­de­run­gen aus bereits erbrach­ten Leis­tun­gen ange­foch­ten wer­den. Sobald das Wachs­tum an noch zah­lungs­fä­hi­gen Gläu­bi­gern sta­gniert oder nicht mehr genü­gend neue hin­zu­kom­men, droht das gesam­te Sys­tem zusam­men­zu­bre­chen. Dies wür­de eine Kas­ka­de von Fol­ge­insol­ven­zen aus­lö­sen, Exis­ten­zen zer­stö­ren, Neu­grün­dun­gen ver­hin­dern und den Ver­lust tau­sen­der Arbeits­plät­ze bedeu­ten.

Mit­tel­fris­tig wird sich die­se so geschaf­fe­ne Rechts­si­tua­ti­on als kon­tra­pro­duk­tiv für den Wirt­schafts­stand­ort erwei­sen. Wel­cher aus­län­di­sche Inves­tor wird nach der Bewer­tung die­ser unbe­re­chen­ba­ren Rechts­la­ge noch bereit sein, ein grö­ße­res Enga­ge­ment in Deutsch­land ein­zu­ge­hen? Wei­te­re Details und Ana­ly­sen zu die­sem The­ma fin­den Sie in unse­rem aus­führ­li­chen Video zur Insol­venz­an­fech­tung, das wir unten ver­linkt haben.

Mit dem am 1. Janu­ar 2021 in Kraft getre­te­nen Unter­neh­mens­sta­bi­li­sie­rungs- und ‑Restruk­tu­rie­rungs­ge­setz (Sta­RUG) wur­de die zwangs­wei­se Betei­li­gung der Gläu­bi­ger auf außer­ge­richt­li­che Restruk­tu­rie­run­gen aus­ge­wei­tet. Vie­le in Schief­la­ge gera­te­ne Unter­neh­men ver­su­chen, sich mit­hil­fe von Sta­RUG oder ESUG selbst zu sanie­ren, oder sie bean­tra­gen alter­na­tiv Insol­ven­zen in Eigen­ver­wal­tung oder im soge­nann­ten Schutz­schirm­ver­fah­ren. Finan­ziert wird dies auf Kos­ten der Gläu­bi­ger durch For­de­rungs­ver­zicht, For­de­rungs­ver­lus­te und Insol­venz­an­fech­tun­gen.

Deutsch­land leis­tet sich eines der teu­ers­ten Insol­venz­recht­sys­te­me der Welt, mit einer der längs­ten Abwick­lungs­dau­er. Wenn der Gesetz­ge­ber Mög­lich­kei­ten zur Berei­che­rung schafft, wer­den die­se auch genutzt – und genau das ist pas­siert. Die Zahl der Juris­ten, die sich einen Teil die­ses lukra­ti­ven Geschäfts sichern wol­len, wächst ste­tig. Eta­blier­te Akteu­re kön­nen zufrie­den zuse­hen, wäh­rend Neu­ein­stei­ger in einem har­ten Wett­be­werb um die lukra­tivs­ten Insol­venz­fäl­le bei den zustän­di­gen Gerich­ten antecham­brie­ren.

Die vom Gesetz­ge­ber durch­ge­führ­ten Novel­lie­run­gen des Insol­venz­rechts ver­schär­fen die ohne­hin schon pre­kä­re Lage der Wirt­schaft wei­ter. Das bestehen­de Insol­venz­recht hat die Gesamt­wirt­schaft auf einen holp­ri­gen Weg geführt. Der Fort­be­stand des Geset­zes in sei­ner jet­zi­gen Form ergibt daher kei­nen Sinn mehr.

Obwohl die in der Insol­venz­bran­che Täti­gen die mög­li­chen Kon­se­quen­zen ihres Han­delns eigent­lich erken­nen soll­ten, wer­den die­se igno­riert. Solan­ge das Sys­tem funk­tio­niert, wird am bestehen­den Vor­ge­hen fest­ge­hal­ten. Man passt sich den Gege­ben­hei­ten an und bleibt in bewähr­ten Denk­struk­tu­ren. Der Öko­nom und Chef­volks­wirt Fol­ker Hell­mey­er von der Net­fonds AG stellt fest: „Die Ver­ant­wort­li­chen für den Abstieg Deutsch­lands wol­len natür­lich nicht die Kon­se­quen­zen ihres Han­delns erfah­ren. Viel­leicht sehen wir des­halb aktu­ell so viel Framing, um ihre Besitz­stän­de zu sichern. Aber das ist weder im Sin­ne der Öffent­lich­keit noch im Sin­ne des Staa­tes, geschwei­ge denn im Sin­ne der Demo­kra­tie“. Dem ist nichts hin­zu­zu­fü­gen.

Die­ses Pro­blem hät­te schon vor Jah­ren an die zustän­di­gen Bun­des­mi­nis­te­ri­en adres­siert wer­den müs­sen. Die Ent­schei­dun­gen, die zu die­ser unaus­weich­li­chen Kata­stro­phe geführt haben, wur­den bereits vor lan­ger Zeit von den Ver­ant­wort­li­chen getrof­fen. Fakt ist, dass selbst wenn das Ruder jetzt noch schnell her­um­ge­ris­sen wür­de, der Wirt­schafts­stand­ort Deutsch­land ins­ge­samt in exis­ten­zi­el­le Bedräng­nis gerät. Und wenn die deut­sche Volks­wirt­schaft abstürzt, hat das dra­ma­ti­sche Fol­gen – nicht nur für Deutsch­land, son­dern für ganz Euro­pa.

Die durch die Insol­venz­an­fech­tung aus­ge­lös­te Ero­si­on der Eigen­ka­pi­tal­aus­stat­tung, die sich zuneh­mend auf immer mehr Fol­ge­gläu­bi­ger aus­brei­tet, bewirkt für vie­le Markt­teil­neh­mer – und für die Öffent­lich­keit zunächst unsicht­bar – einen finan­zi­el­len Schwel­brand, der sich nach und nach durch die deut­sche Volks­wirt­schaft frisst. Die Ket­te der Insol­ven­zen setzt sich von Unter­neh­men zu Unter­neh­men fort, wäh­rend sich das Feu­er der Kri­se immer wie­der selbst ent­facht. Es lässt sich vor­aus­se­hen, dass die­ser Ver­lauf letzt­lich in einem ver­hee­ren­den Flä­chen­brand mün­den wird, der zahl­rei­che Unter­neh­men in den Ruin stürzt. Es ist schwie­rig, den genau­en Zeit­punkt des Kipp­punkts zu bestim­men. Eines jedoch steht fest: Er wird kom­men – wir wis­sen ledig­lich noch nicht, wann genau.

Der Bun­des­ver­band der Deut­schen Indus­trie warnt ein­dring­lich vor einer Deindus­tria­li­sie­rung. Im Ver­gleich zu frü­he­ren Kri­sen besteht heu­te ein Ungleich­ge­wicht: Vor­wie­gend inter­na­tio­nal täti­ge Unter­neh­men kön­nen auf attrak­ti­ve­re Stand­or­te aus­wei­chen – oder haben dies, wie die Bei­spie­le BASF, Mie­le oder Stihl zei­gen, bereits getan. Das spie­gelt sich deut­lich in den Höchst­stän­den des DAX wider, denn die dort gelis­te­ten Unter­neh­men sind fast aus­nahms­los glo­bal auf­ge­stellt. Es zeigt sich eine wach­sen­de Diver­genz zu den natio­nal täti­gen Unter­neh­men, die immer noch den Groß­teil der Wirt­schaft aus­ma­chen. Die­se Fir­men kön­nen sich dem Ader­lass nicht ent­zie­hen. Wenn nicht bald grund­le­gen­de Ände­run­gen erfol­gen, wird die­ser Pro­zess kaum noch auf­zu­hal­ten sein.

Die natio­nal täti­gen Unter­neh­men befin­den sich auf einer völ­lig ande­ren Abs­trak­ti­ons­stu­fe. Sie prü­fen die weni­gen ver­blie­be­nen Optio­nen, denn für vie­le stellt sich mitt­ler­wei­le die Über­le­bens­fra­ge. Ein in Deutsch­land täti­ger Unter­neh­mer muss ver­schie­de­ne Sze­na­ri­en durch­spie­len: Kann die Pro­duk­ti­on noch ange­passt wer­den? Gibt es unge­nutz­te Opti­mie­rungs­po­ten­zia­le? Mono­kau­sa­le Hand­lungs­mus­ter, die in der Ver­gan­gen­heit oft erfolg­reich waren, grei­fen heu­te jedoch nur noch bedingt. Markt­zy­klen ver­hal­ten sich anders als frü­her, und der klas­si­sche Rebound nach einer Markt­schwä­che bleibt häu­fig aus.

Was wir die­ses Mal sehen, ist, dass die aktu­el­len Kri­sen viel tief­grei­fen­der und umfas­sen­der sind als frü­he­re. Des­halb müs­sen auch ande­re, neue Maß­nah­men ergrif­fen wer­den, um die­sen Her­aus­for­de­run­gen zu begeg­nen.

Wenn die Belas­tungs­gren­ze erreicht ist und jede Hoff­nung ver­lo­ren scheint, bleibt Unter­neh­men oft nur noch die Ent­schei­dung, den Betrieb auf­zu­ge­ben oder den Stand­ort zu ver­la­gern. Unter­neh­men stim­men mit den Füßen ab, denn bei der Abwä­gung aller Umstän­de ist der Stand­ort Deutsch­land in der aktu­el­len Situa­ti­on weder attrak­tiv noch wett­be­werbs­fä­hig. Die Abwan­de­rung und die Betriebs­auf­ga­ben, die wir bereits in vie­len Bran­chen beob­ach­ten, sind in vol­lem Gan­ge. Gesamt­wirt­schaft­lich betrach­tet, ist es wahr­schein­lich bereits zu spät, um die­se Ten­denz noch auf­zu­hal­ten.

Miss­ma­nage­ment und Zah­lungs­pro­ble­me haben fast immer kauf­män­ni­sche Ursa­chen. Daher liegt es nahe, dass die­se Pro­ble­me am bes­ten von Kauf­leu­ten selbst gelöst wer­den soll­ten – weni­ger juris­tisch, son­dern viel­mehr markt­wirt­schaft­lich ori­en­tiert. Ein Rück­blick auf das Vor­bild der han­sea­ti­schen Kauf­leu­te könn­te hilf­reich sein, für die es Ehren­sa­che war, ihre Ange­le­gen­hei­ten unter­ein­an­der zu regeln. Dies ist ein loh­nens­wer­ter Ansatz, der ohne Denk­ver­bo­te in Betracht gezo­gen wer­den soll­te. Dafür sind jedoch völ­lig neue Struk­tu­ren erfor­der­lich.

Um die ent­stan­de­nen Rechts­staats­de­fi­zi­te ein­zu­däm­men, ist die Poli­tik jetzt in der Ver­ant­wor­tung, schnell nach­hal­ti­ge Lösun­gen zu ent­wi­ckeln. Statt wei­ter­hin die völ­lig miss­ra­te­ne, sozia­lis­tisch gepräg­te Novel­lie­rung des Insol­venz­rechts zu repa­rie­ren, wäre ein kom­plet­ter Reset ein­fa­cher und schnel­ler umsetz­bar. Der zen­tra­le Punkt ist, wie man die bestehen­den Struk­tu­ren refor­mie­ren und die Bran­che der Insol­venz­ver­wal­ter sowie die dazu­ge­hö­ri­gen Bera­ter bes­ser regu­lie­ren kann. Ein Lösungs­an­satz wäre, die Insol­venz­ver­wal­ter auf ihre Unab­hän­gig­keit und gewis­sen­haf­te Durch­füh­rung im Ver­fah­ren zu ver­ei­di­gen.

Die Zeit volks­wirt­schaft­li­cher Expe­ri­men­te ist vor­bei. Die Erfül­lung rechts­kräf­tig abge­schlos­se­ner Ver­trä­ge muss bis zum Zeit­punkt der Insol­venz­er­öff­nung wie­der unein­ge­schränkt Bestand haben. Die Benach­tei­li­gung deut­scher Gläu­bi­ger inner­halb der Euro­päi­schen Uni­on muss end­lich ein Ende fin­den. Das Recht zur finan­zi­el­len Aus­höh­lung von Unter­neh­men durch Insol­venz­an­fech­tun­gen, voll­zo­gen durch Insol­venz­ver­wal­ter, soll­te ersatz­los abge­schafft wer­den. Um insol­ven­te Unter­neh­men soll­te ein Schutz­me­cha­nis­mus, ein Cor­don Sani­taire, gelegt wer­den, um zu ver­hin­dern, dass gesun­de Markt­teil­neh­mer durch insol­ven­te Unter­neh­men wei­ter geschwächt wer­den.

Bestehen­de Unter­neh­men dür­fen nicht län­ger durch ein kon­tra­pro­duk­ti­ves Insol­venz­recht aus­ge­zehrt wer­den. Ihr Erhalt und ihre Kapi­tal­aus­stat­tung müs­sen geschützt wer­den. Das Eigen­ka­pi­tal eines Unter­neh­mens ist kein Selbst­zweck, son­dern not­wen­dig, um das Fort­be­stehen zu sichern. Unter­neh­men bil­den das Fun­da­ment unse­rer wirt­schaft­li­chen Exis­tenz, denn das gesam­te Steu­er­auf­kom­men wird durch sie gene­riert. Vie­le glau­ben, dass der Staat ein­sprin­gen wird, wenn es schlecht läuft. Doch der Staat kann nur ver­tei­len, was er zuvor an Steu­ern ein­ge­nom­men hat.

Im Inter­es­se des Gemein­wohls muss erkannt wer­den, dass die Gren­zen des Insol­venz­rechts über­schrit­ten wur­den. Es ist an der Zeit, den Klas­sen­kampf zu über­win­den und den Fort­be­stand der ver­blei­ben­den Unter­neh­men zu stär­ken und zu schüt­zen. Dies kann nur durch eine sofor­ti­ge Neu­aus­rich­tung des Insol­venz­rechts erreicht wer­den.

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Foto-Cre­dit: enva­to ele­ments, Foto­graf: vile­de­vil, Licen­se ABPX4MFWLG

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